FINANZPLATZ DEUTSCHLAND: Finanzplatzinitiative Fin-Connect-NRW auf gutem Weg

Gastbeitrag auf Finanzplatz-Frankfurt-Main.de am 01.Februar 2024

„Als größter fossil-basierter Energie- und Industriestandort und als bedeutender Finanzmarktplatz im Zentrum Europas ist Nordrhein-Westfalen zwar am stärksten von den Herausforderungen der Transformation betroffen, hat aber auch die größten Chancen, zum Transformations-Leader Europas zu werden.“ Prof. Dr. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft (IW; Beitrag auf LinkedIn im Januar 2024)

In der Tat ist die nachhaltige, klimaneutrale und digitale Transformation der Wirtschaft eine große Herausforderung und eröffnet neue Chancen. Um die Transformation zu meistern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, braucht es mehr Innovationen, Investitionen und Finanzierungen. Die Baustellen sind offensichtlich: Neue geopolitische Herausforderungen sind Gamechanger. Längerfristige Entwicklungen wie Demographie und Fachkräftemangel wirken sich aus. Krisenmanagement allein greift zu kurz. Offenheit für Innovationen ist notwendig. Es bedarf attraktiver Rahmenbedingungen und eines gewissen Maßes an Planungssicherheit für die Unternehmen. Die seit Jahren unterdurchschnittliche Investitionsquote muss verbessert werden. Steigende Energiepreise und eine vernachlässigte Infrastruktur treffen NRW und seine industriellen Strukturen. Verwaltungsverfahren sollten beschleunigt werden. Der Transformations-, Investitions- und Finanzierungsbedarf ist groß und privates Kapital muss mobilisiert werden.

Heinz-Joachim Plessentin & Markus Hill (Treffen, 2023 – Frankfurt am Main)


Ein positiver Ansatz zur Verbesserung ist der übergreifende Ausbau des Finanzökosystems durch die Finanzplatzinitiative. Fin-Connect-NRW mit Fokus auf die Transformationsfinanzierung kann hier als Enabler aktiv werden. Die Vergabe der neuen Geschäftsstelle von Fin-Connect-NRW durch das Wirtschaftsministerium NRW an das wettbewerbsneutrale Konsortium aus dem Zentrum für Innovation und Technik in Nordrhein-Westfalen, kurz ZENIT, dem IW und der IHK NRW für die Skalierungsphase ist zu begrüßen. Fin-Connect-NRW kann lösungsorientiert dazu beitragen, die Umsetzung der Transformation in der Praxis und ihre Finanzierung zu unterstützen. Die Vernetzung ist vor allem für mittelständische Unternehmen wichtig, die über keine Stabsabteilungen verfügen und Austausch, Information und Beratung benötigen.

  1. Rückblick auf die Phase I (Anlaufphase)

Die Finanzplatzinitiative Fin-Connect-NRW wurde am 15. Juni 2020 unter der Leitung von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart im Rahmen eines Spitzengesprächs mit der Kreditwirtschaft gegründet. Eine starke Realwirtschaft braucht einen starken Finanzplatz. Arbeitsgruppensitzungen und Gespräche über ein Jahr hatten zu einem schlüssigen Konzept geführt. Kern des Konzeptes war von Anfang an, übergreifend den „Bogen“ von der Wissenschaft über die Finanzwirtschaft (Kreditwirtschaft, Versicherungswirtschaft, Börse, Private Equity) zu den Unternehmen der Realwirtschaft (IHK NRW) zu spannen. In der konkreten Entscheidungssituation überzeugte souverän der Minister über Einzelinteressen hinweg. Motto: „Mit Fin-Connect-NRW ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.“

Als besonders hilfreich erwies sich ebenfalls ein Gutachten, „Treiber“ zu bestärken und „Bremser“ auf dem Weg mitzunehmen. Auch in der Startphase von Fin-Connect-NRW war das Gutachten des IW wichtig, das gemeinsam von den Verbänden der Kreditwirtschaft, der NRW-BANK und dem NRW-Wirtschaftsministerium vergeben wurde und erstmals den Investitions- und Finanzierungsbedarf für die Transformation in NRW quantifizierte.

Das IW schätzt den Investitionsbedarf für die klimaneutrale und digitale Transformation allein für NRW auf 70 Milliarden Euro pro Jahr (IW-Gutachten „Transformation in NRW. Wie lässt sich die digitale und klimaneutrale Transformation der Unternehmen in NRW am besten finanzieren?“). Darin sind sowohl Zusatz- als auch Ersatzinvestitionen enthalten. Aus heutiger Sicht sind es eher 80 Mrd. Euro pro Jahr. Der überwiegende Teil wird privat finanziert werden müssen. Die Banken können das nicht alleine stemmen, auch der Kapitalmarkt muss besser genutzt werden. Die Herausforderung bei der Transformationsfinanzierung besteht vielfach darin, Kapitalangebot und -nachfrage besser zusammenzubringen („Matching“). Das IW-Gutachten gibt Handlungsempfehlungen.

In der Diskussion um die Stärkung des Finanzplatzes und der Transformationsfinanzierung kommt der Deutschen Bundesbank eine große Bedeutung zu. Erwähnenswert ist auch, dass die Finanzplatzinitiativen an den anderen deutschen Finanzplätzen schon Jahre früher gestartet sind. Fin-Connect-NRW wurde Anfang 2021 Gründungsmitglied von Germany Finance, der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Finanzplätze.

In der Corona-Phase wuchs das Bewusstsein, dass es mehr Gemeinsames als Trennendes gibt. Das Momentum wurde genutzt und es gelang Fin-Connect-NRW, in kurzer Zeit ein Netzwerk von rund 30 Kooperationspartnern aufzubauen. Branchenübergreifende Vernetzung kann gemeinsam zu neuen Lösungen beitragen und bietet einen Mehrwert. Die Finanzwirtschaft ist Teil der Lösung. Gerade angesichts der sehr begrenzten personellen Ressourcen von Fin-Connect-NRW – das Wirtschaftsministerium NRW ging voran und koordinierte die Finanzplatzinitiative  – waren dabei oft gewachsene persönliche Kontakte, Vertrauen und Wertschätzung sowie übergreifende Erfahrung entscheidend.

Innovation und Kooperation eröffnen Chancen und helfen, Zukunft mitzugestalten, Potenziale zu entfalten und den Finanzplatz besser sichtbar zu machen. Fin-Connect-NRW gibt neue Impulse und führt seit 2020 mit seinen Kooperationspartnern lösungsorientierte Veranstaltungen durch, um unterschiedliche Akteure übergreifend zusammenzubringen, zu sensibilisieren, praxisnah zu informieren und Wissen zu vermitteln. Dazu dienen auch die Website und der vierteljährlich erscheinende Newsletter. Der Austausch hat zu neuen Lösungen beigetragen und Projekte angestoßen.

Vielfalt ist ein Vorteil am Finanzplatz und entspricht der mittelständischen Wirtschaftsstruktur. Unternehmen sind gut beraten, die Zukunftschancen der Transformation zu nutzen. Eine Umfrage zeigt, dass Großunternehmen die Chancen für ihre Wettbewerbsfähigkeit „auf dem Schirm“ haben. Bei kleinen und mittleren Unternehmen besteht häufig Informationsbedarf, damit sie die für sie passende Transformationsstrategie gemeinsam mit ihren Finanzpartnern finden.

In Phase I wurde das Fundament erfolgreich aufgebaut. Im Kreise der deutschen Finanzplatzinitiativen hat Fin-Connect-NRW mit dem Fokus auf der Transformationsfinanzierung ein Alleinstellungsmerkmal.

  1. Ausblick auf die Phase II (Skalierung)

Die Entscheidung zum Start der Phase II wurde von Ministerin Mona Neubaur souverän getroffen. Das NRW-Wirtschaftsministerium stellt die Anschubfinanzierung zur Verfügung.

Langjährige Erfahrungen zeigen, dass Organisationskulturen sowohl Vorzüge als auch Herausforderungen mit sich bringen können. Um diese Dilemmata zu überwinden, ist neben organisatorischer auch personelle Flexibilität, besonders in der Skalierungsphase, vonnöten. Daher ist es ermutigend zu sehen, dass das Konsortium aus ZENIT, IW und IHK NRW vom NRW-Wirtschaftsministerium beauftragt wurde, die Phase II mittels Outsourcing und Auftragsvergabe durchzuführen (Start zum 01. November 2023). Das Konsortium ist in der Lage, sich auf die Lösungsorientierung zu konzentrieren und maßgeschneidert zu handeln.

Für diese anspruchsvolle Aufgabe ist eine fundierte Erfahrung und Kompetenz, gerade auch im Bereich von Finanzplatzinitiativen, von großem Nutzen, um zeitnah aktiv werden zu können. In die Phase II fällt turnusgemäß ab Januar 2024 die Übernahme der Sprecherfunktion bei Germany Finance für ein Jahr. Es wird sich zeigen, welche Impulse für den Finanzplatz Deutschland und die Transformationsfinanzierung gesetzt werden und es ist sicherlich geplant, dass Germany Finance 2024 eine neue Studie zur Transformationsfinanzierung in Auftrag gibt. Inwieweit Beteiligungen an internationalen und nationalen Präsentationen vorgesehen sind, bleibt abzuwarten.

Die Phase II ist angelaufen. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur neuen Phase am 18. Dezember 2023 – die Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums NRW finden Sie hier – stellte die neue Geschäftsstelle von Fin-Connect-NRW sich und die zukünftigen Beteiligungsmöglichkeiten für Stakeholder anhand von Schaubildern vor (Auszüge):

„Claim und Mission Statement: Vernetzen. Informieren. Transformieren. Wir fördern die Vernetzung und bieten Unternehmen und Finanzwirtschaft Know-how an, um die Finanzierung der klimaneutralen und digitalen Transformation in NRW zu unterstützen.“

Ein „Herzstück“ der operativen Arbeit, das Finanzökosystem auftragsgemäß auszubauen, sollen fünf thematische Arbeitskreise bilden („Fachgruppen“). Die Moderation liegt bei der Geschäftsstelle von Fin-Connect-NRW. Die Kooperationspartner sind aufgerufen, in den Facharbeitsgruppen mitzuwirken. Ziel: „Bestehende Partner in die Phase „Ausbau und Professionalisierung“ mitnehmen. Neue Partner ansprechen und in das Netzwerk einbinden.“

Nach dem am 18.12.2023 vorgestellten Projektstand, der noch vorläufig ist, sieht Fin-Connect-NRW 5 Fachgruppen vor, die Wissen zur Transformationsfinanzierung bündeln und systematisch für Unternehmen und Finanzwirtschaft nutzbar machen sollen:

Fachgruppe Finanzökosystem NRW: Partner gewinnen und vernetzen

  • Finanzplatzinitiative
  • Finanzökosystem und Vernetzung
  • Standortmarketing

Fachgruppe Transfer: Know-how für die Transformation vermitteln

  • Bedarfe und Notwendigkeiten Realwirtschaft/KMU
  • Praxisbezogenes Wissen und Handlungsempfehlungen für KMU und Banken
  • Roadshow, Gute-Praxis und Kombination von Finanzierungsinstrumenten

Fachgruppe Digitalisierung: Digitalisierung und Innovation fördern

  • Finanzinnovationen
  • Plattformen
  • Fintechs und InsurTechs

Fachgruppe Finanzierungsinstrumente: Transformationsfinanzierung skalieren

  • Kreditfinanzierung und Kapitalmarkt
  • Verbriefungstransaktionen für kleinere Banken
  • Green Bonds in der Transformationsfinanzierung

Fachgruppe Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit im Finanzsektor fördern

  • EU-Taxonomie und Green Asset Ratio
  • Nachhaltigkeit im Finanzsektor und Unternehmensfinanzierung
  • Auswirkungen von Nachhaltigkeitskriterien in der Aufsichtspraxis

Als Meilensteine sind im 1. Quartal 2024 vorgesehen:

  • Festlegung eines Steuerungskreises (die Kooperationspartner sollen bei strategischen Weichenstellungen einbezogen werden),
  • Festlegungen der Fachgruppen (Ziele, Agenden, Aufgaben, Teilnehmende),
  • Start der neuer Veröffentlichungsreihe mit thematischer Priorisierung,
  • Relaunch der Internetseite, Newsletter, neuer LinkedIn-Kanal,
  • Einzelgespräche / Interviews mit relevanten Akteuren & Institutionen.

An dieser Stelle sei ergänzend auf die Rolle der NRW-BANK als Förderbank des Landes hingewiesen. Förderbanken können durch Anschubfinanzierungen, Förderkredite, Haftungsfreistellungen und als Ankerinvestoren eine wichtige Rolle bei der Transformationsfinanzierung und Risikoverteilung spielen: Die Europäische Investitionsbank, Klimabank der EU, die KfW, Transformationsbank des Bundes und die NRW-BANK mit ihren Förderangeboten und Finanzierungsinitiativen.

Aus langjähriger Erfahrung auch ein zusätzlicher Hinweis auf die Regulierung: Sie verhält sich phasenweise wie ein Pendel. Zu wenig ist nicht angemessen (siehe Finanzmarktkrise), zu viel ist auch nicht gut (engmaschige Regulierung erstickt Innovation und Expertise; Fehlallokationen). Es gibt keine „Weisheit letzter Schluss“ bei den Methoden und Instrumenten – immer wieder muss bei Zielkonflikten neu abgewogen und ein „gesunder Mittelweg“ gefunden werden. Oft lassen sich mit Anreizen bessere Wirkungen erzielen.

  1. Fazit

Es ist entscheidend, die Rahmenbedingungen für Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und ein starkes Finanzökosystem als Chance für Innovation, Investition, Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Digitalisierung zu begreifen. Eine gestärkte Finanzplatzinitiative hat positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort, den Finanzplatz selbst sowie die Finanzierung von Transformationsprozessen. Das kommt besonders mittelständischen Unternehmen zugute. Der langfristige Erfolg wird auch daran gemessen, inwieweit für Fin-Connect-NRW möglichst selbsttragende Strukturen (Phase III) aufgebaut werden können.

Wertschätzung, Vertrauen und Interessenausgleich bilden die Grundlage der Zusammenarbeit. Ein Dank gebührt allen, die zum bisherigen Erfolg von Fin-Connect-NRW beigetragen und die Stärkung der Transformationsfinanzierung entscheidend vorangetrieben haben. Ein besonderer Dank gilt Ministerin Mona Neubaur (Phasen I/II), Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart (Phase I), den Kolleginnen und Kollegen des Wirtschaftsministeriums NRW sowie den Kooperationspartnern von Fin-Connect-NRW.

In der Phase II wird das Konsortium, bestehend aus ZENIT, IW und IHK NRW, eine führende Rolle übernehmen. Die erfolgreiche Auftaktveranstaltung zur Phase II am 18. Dezember 2023 hat die Zuversicht gestärkt. Das überzeugende Konzept muss nun mit Leben gefüllt werden. Das Konsortium verfügt über personelle Ressourcen, um sich aktiv in die Umsetzungsphase einzubringen und konkrete Projekterfolge zu erzielen.

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