„Was die Zukunft anbelangt, so haben wir nicht die Aufgabe, sie vorherzusehen, sondern sie zu ermöglichen“ (Antoine de Saint-Exupéry). Markus Hill sprach mit Dieter Brockmeyer, Diplomatic World, über das Thema „Wholistische Innovation“. Angesprochen wurden hier Punkte wie Finanzplatz Frankfurt, Blockchain, Bitcoin, Kryptowinter und die Kunst der Entspannung.
Hill: Wholistische Innovation, was ist darunter zu verstehen?
Brockmeyer: Wir sehen Innovationen immer noch viel zu isoliert. Dabei hat alles was ich in einem Segment anstoße auch Auswirkung auf benachbarte Segmente. Das wird gerne außer Acht gelassen, einfach weil wir auf kurzfristige Entscheidungen zum eigenen Vorteil geprägt sind. Das hat uns immer das Überleben gesichert und unseren Kindern einen besseren Start ermöglicht. Nur heute sind die Probleme so komplex geworden, dass sie nur noch gemeinschaftlich und grenzüberschreitend gelöst werden können. Dazu gehört Dialog- und Kompromissbereitschaft, die aktuell aber wieder von Ideologien verdrängt wird. Das ist sehr gefährlich.
Hill: Was hat das mit einem Finanzplatz wie Frankfurt zu tun?
Brockmeyer: Sehr viel! Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Wir müssen uns regenerieren und das geht nur in einem lebenswerten Umfeld. Und auch die Arbeitsbedingungen müssen so sein, dass ich meine Leistungskraft voll entfalten kann und es mir dabei gut geht. Auch hier hilft ohne Zweifel eine ganzheitliche und übergreifende Betrachtungsweise. Hinzu kommt, dass das alles Geld kostet, das erst einmal erwirtschaftet werden muss und auch die Finanzmärkte vor eine Disruptionswelle stehen. Bitcoin und Co haben langfristig enorme Auswirkungen – und das ist erst der Anfang. Das betrifft auch den Finanzplatz Frankfurt, der sich übrigens gar nicht so schlecht schlägt, wie von mancher Seite unterstellt wird. Ich lebe sehr gerne in dieser Stadt. Das ist jetzt sehr subjektiv. Es wird aber gestützt von immer mehr internationalen Rankings in denen Frankfurt immer bessere Positionen einnimmt.
Hill: Trotz einiger Skandale und dem sogenannten Kryptowinter scheint sich der Bitcoin stabilisiert zu haben.
Brockmeyer: Kryptowährungen sind immer noch ein recht junger Bereich und sind gerade erst am Anfang eines Übergangs zu geregelten Strukturen. Da sind Rückschläge und Reinigungsprozesse normal und die Volatilität ist enorm. Das Problem ist auch die Geschwindigkeit, mit der sich Blasen aufbauen und platzen. Die Internetblase baute sich in den 1990ern über 10 Jahre auf, bevor sie platzte. Seit 2015 haben wir bereits die ich glaube vierte Konsolidierung gesehen. Das geht natürlich an die Nerven.
Hill: Haben wir jetzt die Trendwende?
Brockmeyer: Das Potential der Blockchain Technologie ist enorm, nicht nur in der Finanzindustrie. Was wirklich geht, das wird sich erst nach vielen Versuchen und einigem Scheitern herausstellen. Das ist immer so. Hier müssen wir aber auch vorsichtig sein, denn die Blockchain ist auch eine potenziell sehr gefährliche Technologie, je nachdem, wie man sie einsetzt. Jede Transaktion wird für alle Zeit gespeichert und kann nachvollzogen werden. Anonymisiert zwar, aber das kann durch gezielte Regulierung und in Kombination mit anderen Technologien ausgehebelt werden. Wir müssen klar definieren, was wir wollen und was nicht. Das ist eine immer drückender werdende gesellschaftlich Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
Hill: Werden wir neue Rekordstände beim Bitcoin sehen?
Brockmeyer: Als wir die Turbulenzen bei den Banken hatten, sehen wir zum ersten Mal, dass der Bitcoin gegen den Trend regelrecht nach oben ausgebrochen ist, stärker als die Edelmetalle. Bitcoin hat sich zum ersten Mal so verhalten, wie es seine Jünger immer vorhergesagt haben und dient zum ersten Mal als so etwas wie einen sicheren Hafen für Geldwerte. Ob das langfristig so bleibt, das wird die Zukunft zeigen. Denn dieser Kryptofrühling findet aber in einem veränderten Umfeld statt. Krypto Assets sind längst im normalen regulierten Finanzmarkt angekommen und Regierungen sind sehr darum bemüht auch einen Regulierungsrahmen für Kryptoprodukte zu schaffen. Hinzu kommen die Bemühungen um nationale Kryptowährungen wie den digitalen Euro. Das wird zwar noch einige Jahre dauern, aber es verändert natürlich das Umfeld. So viel jedenfalls scheint aber klar: Die Wild West Zeiten sind vorbei und damit dürften auch die allergrößten Ausschläge nach oben vorbei sein. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber ich halte die Prognosen für neue Höchststände bei Bitcoin und Co. für übertrieben. Im kommenden Jahr steht voraussichtlich Ende April das nächste Halfing an bei dem der Aufwand einen Bitcoin zu „minen“ sich wieder verdoppeln wird. Die vergangenen Male hat das immer zu regelrechten Kursexplosionen geführt. Es wird spannend sein zu sehen, ob es dieses Mal wieder so ist oder die Ausschläge etwas moderater ausfallen.
Hill: Das bringt mich zum Schluss: Was macht Dieter Brockmeyer, wenn er mal nicht arbeitet?
Brockmeyer: Mit einem guten Essen kann man mich sehr leicht vom Schreibtisch weglocken und gelingt gelegentlich auch mit einem guten Buch, wobei sich ein Faible für Kriminalromane herausgebildet hat. Gelegentlich kann man mich auch zu Galerie, Theater oder Konzertbesuchen motivieren, wobei leider meine alte Liebe für gutes Kino inzwischen häufig zu kurz kommt.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
Dieter Brockmeyer ist ein international anerkannter Medien- und Innovationsexperte, Publizist, Keynote-Speaker und Moderator. Er ist Chief Project Officer, CPO, von Diplomatic World, einem Medienprojekt, das seit der Jahrtausendwende am Markt ist und mit seinem vierteljährlichen Magazin sich als Meinungsmedium in der Diplomatie im Raum Brüssel und weit darüber hinaus einen Namen gemacht hat. Er ist Mitgründer und der Innovationsexperte des Diplomatic World Institutes, DWI, in Brüssel, sowie Partner der internationalen Audio-Podcast-Reihe „2hochMEHR“ zum Thema Innovationsdenken. Er kuratiert internationale Branchenkongresse und entwickelte die Wholistic World Innovation Trophy, die das DWI 2021 erstmals virtuell vergeben hat, und die im November 2022 im Casa Llotja del Mar in Barcelona ihre physische Premiere feierte. Die internationale Auszeichnung basiert auf dem Konzept der „Wholistischen Innovation“, das er für das Institut entwickelt hat und in seinen auf Amazon erhältlichen letztem Büchern „Pandemia’s Box“ auf Englisch und Deutsch erläutert wird.
Das Konzept der „Wholistischen Innovation“ wird in dem Buch „Pandemia’s Box“ erklärt, erhältlich im Buchhandel und den Onlineplattformen.