FINANZPLATZ FRANKFURT & STIFTUNGEN: Family Office, Stiftungsbarometer, Behavioral Finance & Investor Education (INTERVIEW: Stefan Sillmann, VIRIATO FAMILY OFFICE für Stiftungen)

„Die größten Anlagerisiken liegen nicht in der Wirtschaft, sondern im menschlichen Verhalten“ (Howard Marks). Stiftungen stehen heute vor einer doppelten Herausforderung: steigende operative Kosten auf der einen Seite und volatile Kapitalmärkte auf der anderen. Gleichzeitig wächst der Anspruch, gesellschaftliche Wirkung zu entfalten und langfristig handlungsfähig zu bleiben. Wie gelingt dieser Balanceakt zwischen Zweckorientierung, Risikomanagement und nachhaltiger Ertragskraft?  Im Gespräch mit Stefan Sillmann, der seit Kurzem das Team des VIRIATO Family Office für Stiftungen im Bereich Investor Education & Relationship-Management (Executive Consultant) unterstützt, werfen wir einen differenzierten Blick auf die aktuellen Entwicklungen. Es geht um die Lehren aus der Zinswende, um Behavioral Finance als Entscheidungshelfer, um typische psychologische Muster in der Kapitalanlage – und um die Frage, wie Stiftungen auch in einem anspruchsvollen Umfeld ihre Rolle als „ruhige Hand“ behalten können, ohne in Untätigkeit zu verfallen. Ein Gespräch über Verantwortung, Struktur und die Kunst, emotionale Entscheidungen durch klare Prozesse zu ersetzen.

Stefan Sillmann & John O’Donnell, VIRIATO FAMILY OFFICE für Stiftungen

Hill: Herr Sillmann, viele Stiftungen blicken laut dem 15. Deutschen Stiftungsbarometer eher skeptisch in die Zukunft. Machen Ihnen diese Ergebnisse Sorgen?

Sillmann: Sorgen vielleicht nicht, aber sie machen nachdenklich. Laut Umfrage konnten im vergangenen Jahr nur 18 Prozent der Stiftungen ihre geplanten Projekte nicht wie vorgesehen umsetzen – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Das ist keine positive Entwicklung für die Stiftungslandschaft.

Hill: Worin sehen Sie die Hauptursachen für diese Entwicklung?

Sillmann: Wir erleben Inflation, steigende Kosten bei Personal und Projekten. Gleichzeitig sind jedoch auch die Renditen in vielen Portfolios gestiegen – sowohl an den Aktienmärkten als auch im Rentenbereich. Das wird in der öffentlichen Wahrnehmung oft unterschätzt.

Hill: Das heißt, die Erträge hätten eigentlich für viele Projekte reichen müssen?

Sillmann: Das war zumindest unsere Erfahrung bei den Stiftungen, mit denen wir arbeiten. Voraussetzung war allerdings ein aktives Handeln. Als die Zinsen 2022 stark stiegen, waren viele Stiftungen noch im alten Anleihenmarkt investiert und scheuten Abschreibungen. Wir haben hier bewusst Umschichtungen vorgenommen – auch in Kauf von kurzfristigen Verlusten, um die Portfolios langfristig solide aufzustellen. Heute stehen viele Haushaltspläne wieder auf stabilen Beinen.

Hill: Viele sprechen bei Stiftungen von der „ruhigen Hand“ in der Kapitalanlage. Gehen Umstrukturierungen trotzdem schnell genug?

Sillmann: In besonderen Marktphasen ja. Die Zinswende 2022 war ein historisches Ereignis. In solchen Situationen muss man aktiv werden. Die „ruhige Hand“ ist wichtig, aber sie darf nicht zu Untätigkeit bei fundamentalen Veränderungen führen.

Hill: Welche weiteren Erkenntnisse aus der Umfrage haben Sie besonders beschäftigt?

Sillmann: Auffällig sind typische finanzpsychologische Muster. Viele Stiftungen planen, ihre Aktien- und ETF-Quoten nach starken Kursanstiegen zu erhöhen, während das Interesse an Anleihen sinkt – obwohl sich deren Rahmenbedingungen verbessert haben. Das ist klassisches „Chasing the Market“. Gleichzeitig wollen rund 30 Prozent ihre Diversifikation nicht verändern, obwohl sie höhere Erträge anstreben. Diese Widersprüche deuten auf Unsicherheit und Entscheidungshemmnisse hin.

Hill: Sie sprechen Behavioral Finance an. Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen?

Sillmann: Stiftungen tragen große Verantwortung, aber Kapitalanlage ist nicht ihr Kerngeschäft. Entscheidungen werden daher oft reaktiv getroffen – beeinflusst von Medien, Politik oder kurzfristigen Marktereignissen. Behavioral Finance hilft uns, diese Mechanismen sichtbar zu machen und Entscheidungsstrukturen zu schaffen, die emotionale Reflexe reduzieren. Das ist entscheidend für nachhaltige Stiftungsarbeit.

Hill: Sie kennen John O’Donnell seit vielen Jahren. Welche Rolle spielt diese Verbindung für Ihre neue Aufgabe bei VIRIATO?

Sillmann: Wir kennen uns aus früheren Stationen im Devisenhandel und aus unserer gemeinsamen Arbeit im Bereich Behavioral Finance. Als es darum ging, die Stiftungsaktivitäten von VIRIATO weiter auszubauen, haben wir wieder intensiv zusammengearbeitet. Mein Hintergrund in Business Development und Finanzpsychologie ergänzt die bestehende Expertise sehr gut.

Hill: Wie verbinden Sie die Werteorientierung von Stiftungen mit den Anforderungen der Kapitalmärkte?

Sillmann: Werte und Marktrealität schließen sich nicht aus. Wir entwickeln Strategien, die die individuellen Leitbilder der Stiftungen berücksichtigen und gleichzeitig Stabilität, Ausschüttungsfähigkeit und Risikomanagement sicherstellen. Das ist anspruchsvoll, aber unverzichtbar.

Hill: Was motiviert Sie persönlich in diesem Arbeitsfeld besonders?

Sillmann: Mich beeindruckt die Vielfalt und gesellschaftliche Relevanz der Stiftungsarbeit. Wenn wir dazu beitragen können, Stiftungen stabiler, handlungsfähiger und zukunftsfester zu machen, entsteht echter Mehrwert. Für mich ist das eine konsequente Weiterentwicklung meiner beruflichen Laufbahn.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

www.viriato-family-office.de

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