FRANKFURT, FAMILY OFFICES & KNOWHOW: Unternehmerfamilien & MYTHOS NR. 1 – das Unternehmen geht immer vor (GASTBEITRAG – Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM)

Mythen in Unternehmerfamilien

Als langjährigem Begleiter von Unternehmerfamilien begegnen mir in der Beratung regelmäßig Mythen und Glaubenssätze, die ich hier auf den Prüfstand stelle. Den Auftakt einer Beitragsserie mache ich mit dem Mythos aller Mythen:

Mythos #01: Das Unternehmen geht immer vor

Welcher Spross einer Unternehmerfamilie hat ihn nicht schon häufiger gehört, als ihm lieb ist, den Spruch „Das Unternehmen geht vor“? Ob es das Familienoberhaupt ist, das im Urlaub keine Zeit für die Kinder hat, weil es vom Unternehmen absorbiert wird, oder der Druck in eine bestimmte Richtung bei der Berufswahl: Gerne wird dies mit der Priorität des Familienunternehmens begründet. Und diese muss oft auch herhalten für die Rechtfertigung hoher Thesaurierungs- und niedriger Ausschüttungsquoten. Von der Notwendigkeit, einen Ehevertrag zu schließen und tunlichst nicht ins Ausland zu verziehen, ganz zu schweigen.

Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM.
Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM

Geht das Unternehmen tatsächlich immer vor? Ist es deshalb für die Unternehmerfamilie oft mehr Last als Lust? Sind die Mitgliedschaft in einer Unternehmerfamilie und/oder die Teilhabe an dem Familienunternehmen gar nicht erstrebenswert? Wie fast immer lohnt ein differenzierterer Blick. Im einleitenden Absatz sind fünf Situationen angerissen, in denen persönliche und Familieninteressen in Konflikt mit dem Unternehmensinteresse geraten können.

Die erste Situation ist eigentlich nicht spezifisch für Unternehmerfamilien, sondern kann bei jeglichem überdurchschnittlichen beruflichen Engagement auftreten. Wenn es im Unternehmen irgendwo kriselt oder ein Projekt dringend vorangetrieben werden muss, muss man nicht zwingend der Unternehmenseigentümer sein, um sich auch während der Urlaubszeit verantwortlich zu fühlen. Gleichgültig, ob man Unternehmenseigentümer oder „nur“ engagierter Angestellter ist, sollte man aber seinen Mitarbeitern vertrauen und ihnen etwas zutrauen. Wenn es dann noch gelingt, die eigenen Beiträge nicht als unersetzbar anzusehen, sollte selbst in Krisensituationen ein Dauereinsatz während des Urlaubs nicht erforderlich sein.

Spezifischer für Unternehmerfamilien ist die Erwartung an den Nachwuchs, in die Fußstapfen desjenigen Elternteils zu treten, das das Unternehmen leitet. Das bedingt dann meist auch eine entsprechende Berufsausbildung. Es ist aber niemandem damit gedient, wenn die Unternehmensleitung in die Hände einer Person gelegt wird, die diese Rolle aus irgendeinem Grund nicht ausfüllen kann oder will. Findet sich kein Familienmitglied für diese Rolle, muss der Schritt gegangen werden, eine familienfremde Geschäftsführung zu installieren. Ob die Familie dann noch Gesellschafter sein will und wie sie ihre Interessen aus größerer Distanz zum Unternehmen dann noch wahrnimmt, sollte Gegenstand eines sorgfältigen inhaberstrategischen Prozesses sein. Als dessen Ergebnis wird die Familie für sich geklärt haben, was für sie Sinn und Ziel einer gemeinsamen Vermögensbewirtschaftung ist, ob das Familienunternehmen weiter dazugehören soll und mit welcher Governance sie ihren Einfluss sicherstellen will. Es ist also nicht das Unternehmen, das vorgeht, sondern die Familie!

Weniger digital ist diese Entscheidung bei dem dritten oben genannten Beispielsfall, der Frage des Vorrangs von Thesaurierung oder Ausschüttung. Die jeweiligen persönlichen Interessen der Gesellschafter sind hier stark von ihrer Lebenssituation und ihrem sonstigen Vermögen beeinflusst, aber auch von ihrer Nähe zum Unternehmen und der Größe ihres Gesellschaftsanteils. Die „richtige“ Ausschüttungsquote wird sich deshalb nicht bestimmen lassen. Da hilft auch das Argument wenig, dass der Gesellschaftsanteil ohne eigene Leistung erlangt worden sei und die Familienmitglieder ihre Ansprüche deswegen zügeln sollten. Sinnvoll kann es aber sein, die Diskussion über die reguläre Ausschüttungshöhe von derjenigen über Sonderentnahmerechte bei besonderen Anlässen zu trennen. Wird für bestimmte Situationen ein disquotales Entnahmerecht oder die Möglichkeit zur Aufnahme eines Darlehens bei der Gesellschaft vorgesehen, vereinfacht das die Suche nach einer für alle akzeptablen regulären Ausschüttungshöhe oft erheblich. Auch diese Diskussion sollte Teil des inhaberstrategischen Prozesses sein und die Interessen aller Gesellschafter berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass ergebnis- oder eigenkapitalabhängige Quoten bestimmt, eine Mindestausschüttung garantiert oder verschiedene Mechanismen über Zeit miteinander kombiniert werden. Letzteres bietet sich insbesondere dann an, wenn das Unternehmen in bestimmten Zyklen mehr oder weniger Kapital benötigt. Das Unternehmen geht nämlich nicht pauschal vor, es ist aber in der Regel der wichtigste Vermögensgegenstand der Familie und muss von dieser geschützt werden.

Damit es nicht auch vor der Familie geschützt werden muss, sollte diese möglichst homogen sein. Das ist angesichts unterschiedlicher Charaktere, Erfahrungen und Altersklassen meist schon herausfordernd genug. Deshalb versuchen die meisten Familien, Ehepartner und Adoptivkinder, sofern sie nicht im Familienverbund aufgewachsen sind, außen vor zu lassen. Dafür sind Regelungen zur Gütertrennung, zum Pflichtteilsverzicht und zu Vertretungsberechtigungen in der Gesellschafterversammlung erforderlich. Sie werden von den jungen Gesellschaftern zumeist als belastend empfunden, aber an dieser Stelle empfiehlt es sich tatsächlich, der Firma bzw. der Familienhomogenität den Vorrang einzuräumen. Denn diese sollte nicht durch persönliche Animositäten im Zusam­menhang mit einer möglichen Ehescheidung belastet werden. Dieser Aspekt verliert erst dann an Bedeutung, wenn der Gesellschafterkreis so groß ist, dass das Querschießen eines Einzelnen weder die Stimmung unter den Gesell­schaftern, noch die Entscheidungsfähigkeit des Unternehmens, noch den Erhalt des Familienvermögens gefährden kann.

Schließlich das Thema Wegzug ins Ausland: Erfüllt die Gesellschaft, an der der Wegziehende beteiligt ist, nicht bestimmte Voraussetzungen, sind die stillen Reserven, mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern wenn Deutschland durch den Wegzug das Besteuerungsrecht verliert. Je nach Größe des Gesellschaftsanteils des wegziehenden Gesellschafters und des Umfangs der hierauf entfallenden stillen Reserven kann die so entstehende Steuerlast eine Größenordnung erreichen, die den Verkauf zumindest eines Teils der Anteile erforderlich macht. Wenn dann in der Familie niemand bereit oder in der Lage ist, die Anteile aufzunehmen, droht die Veräußerung an Familienfremde und damit die Aufgabe der Geschlossenheit des Gesellschafterkreises. Zwar gibt es hier einige Strukturierungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Steuer, sie sind aber komplex und führen zu Strukturen, die man sonst nicht gewählt hätte. Dennoch lohnt es darüber nachzudenken, weil eine faktische Immobilität heute von vielen Gesellschaftern als unzumutbar empfunden wird. Letztlich ist auch hier ein sorgfältiger Interessenabwägungsprozess erforderlich, nach dessen Ende erst feststeht, ob das Unternehmensinteresse vorgeht oder nicht. Sofern die Entscheidung gegen Wegzugsteuer-vermeidende Strukturen fällt, sollte überlegt werden, inwieweit die Familie dem Wegziehenden hilft: Hier kommen disquotale Entnahmerechte, Ansprüche auf Darlehensgewährung, Aufkauf von Anteilen durch Gesellschafter und sogar ein Anspruch auf Abkauf von Anteilen durch das Unternehmen in Betracht. Alle diese Lösungen haben ihre Vor- und Nachteile und es gehört auch zu den Aufgaben eines Inhaberstrategieprozesses, die Familienmitglieder in die Lage zu versetzen, hierüber kompetent zu entscheiden.

Der Mythos stimmt nicht. „Immer“ geht das Unternehmen nicht vor; dort, wo es das nicht tun soll, sollten die Interessen vorher aber sorgfältig abgewogen worden sein.

„Dr. Henning Schröer hat für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über 10 Jahre geleitet. Mit fidubonum (www.fidubonum.de) berät er nun vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen, wozu auch die Beratung beim Aufbau passgenauer Family Office-Strukturen gehört.“

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FINANZPLATZ FRANKFURT & FINANZPLATZ DEUTSCHLAND: Neue Impulse durch Fin.Connect.NRW, Ökosysteme, Knowhow, Sustainable Finance, Germany Finance & “Katzensprung” (INTERVIEW – Heinz-Joachim Plessentin)

„Finanzplatz Nordrhein-Westfalen“, Finanzplatz Frankfurt, Wirtschaft, Innovation, Germany Finance & Kooperation der Finanzplätze – Markus Hill sprach für FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE über diese Themen mit Heinz-Joachim Plessentin, ehemals Koordinator von Fin.Connect.NRW im Wirtschaftsministerium von NRW. Weitere Bestandteile der Diskussion waren zusätzlich die Bereiche Venture Capital, ESG, Transformation sowie die Inhalte der Studie „Der Finanzplatz Deutschland als Eckpfeiler des europäischen Finanzsystems“.

Hill: Fin.Connect.NRW hat über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit gefunden. Im Vergleich zu anderen Finanzplätzen wie Frankfurt ist die Finanzplatzinitiative noch relativ jung. Was sind die Besonderheiten, was ist das Alleinstellungsmerkmal von Fin.Connect.NRW?


Plessentin: In der Tat sind die Strukturen in Nordrhein-Westfalen besonders. Das Land ist eher dezentral organisiert mit mehreren Oberzentren wie Düsseldorf, Köln und Münster. Nordrhein-Westfalen ist nach Frankfurt der zweitgrößte deutsche Bankenplatz mit dem Schwerpunkt Düsseldorf. Köln ist neben München der stärkste Versicherungsstandort. Das Land ist ein bedeutender Industrie-, Mittelstands- und Wissenschaftsstandort. Entsprechend ist Fin.Connect.NRW keine städtische, sondern eine übergreifende Landesinitiative, die alle Akteure zusammenführt. Fin.Connect.NRW ist die Finanzplatzinitiative mit dem Fokus auf nachhaltige, klimaneutrale und digitale Transformation und deren Finanzierung. Außerdem haben wir die klassischen Finanzplatzthemen auf der Agenda: Standortmarketing, Human Resources, Innovation & Fintechs. So ist beispielsweise das InsurLab Germany in Köln die größte Brancheninitiative zur Förderung von Digitalisierung und Innovation in der Versicherungswirtschaft.

Heinz-Joachim Plessentin, Fin.Connect.NRW & Markus Hill


Hill: Für eine Finanzplatzinitiative sind das Ökosystem und die Vernetzung entscheidend. Vernetzung basiert im Wesentlichen auf Kontakten in die Finanzwirtschaft und die Wirtschaftsbranchen, persönlichem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung. Wer ist als Kooperationspartner bei Fin.Connect.NRW mit an Bord?

Plessentin: Mit Fin.Connect.NRW wird das Finanzökosystem NRW weiter ausgebaut, gerade angesichts der großen wirtschaftlichen Herausforderung der Transformation. Die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit eines Finanzplatzes und von Sustainable Finance im weiteren Sinne hängt maßgeblich von der Leistungsfähigkeit des Ökosystems ab. Wir „spannen den Bogen“ von der Wissenschaft über die Finanzwirtschaft zur „Realwirtschaft“. Die Realwirtschaft wird durch die IHK NRW vertreten, ebenso sind die kreditwirtschaftlichen Verbände und die Hauptverwaltung in NRW der Deutschen Bundesbank Gründungsmitglieder. Darüber hinaus sind neben der Versicherungswirtschaft die Börse, Private-Equity-Gesellschaften, die NRW.BANK, das Zentrum für Innovation und Technik in Nordrhein-Westfalen, kurz ZENIT, das Institut der deutschen Wirtschaft und das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln, Bank- und Wirtschaftsprofessoren sowie Beratungsunternehmen wie BCG und zeb Teil der Initiative.


Hill: Das ist beeindruckend. Wer koordiniert die Initiative?


Plessentin: Wir verstehen Vielfalt als Stärke. Fin.Connect.NRW kommt vor allem über die Themen. Die Strukturen entwickeln sich noch. Derzeit liegt die Koordination beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, konkret bei meinem Kollegen Dr. Dirk Schlotböller und insbesondere bei mir. Entsprechend dem Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen (Koalitionsvertrag) wird Fin.Connect.NRW gestärkt. Der Landtag NRW hat am 14. Juni 2023 die Stärkung der Finanzplatzinitiative Fin.Connect.NRW beschlossen. Konkret hat der Landtag die Landesregierung beauftragt, die Finanzplatzinitiative Fin.Connect.NRW und die Vernetzung zwischen Stakeholdern wie Betrieben, der Kreditwirtschaft, Versicherungen sowie weiteren Akteuren zu stärken. Auf dieser Plattform sollen die Akteure passgenaue Finanzierungsinstrumente für eine syndizierte Finanzierung mit mehreren Kreditgebern anbieten und Partnerinnen und Partnern vermitteln können. Eine umfassende Informationskampagne soll entwickelt werden, um die Bekanntheit von Fin.Connect.NRW bei den relevanten Zielgruppen zu erhöhen. Auch das vom Kabinett beschlossene erste NRW-Klimaschutzpaket beinhaltet die Stärkung von Fin.Connect.NRW durch die Vergabe einer Geschäftsstelle, die am 1. November 2023 ihre Arbeit aufnimmt.


Hill: Ich bitte um nähere Erläuterungen zu den konzeptionellen Eckpunkten. Ist Vielfalt eine Stärke des Finanzplatzes?

Plessentin: Ja, davon sind wir überzeugt. Eine Studie von Germany Finance und zeb (Studie „Der Finanzplatz Deutschland als Eckpfeiler des europäischen Finanzsystems“, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen der Universität Hohenheim, Prof. Burghof, an der ich mitgewirkt habe) belegt die Vielfalt als Vorteil und Stärke des Finanzsystems: Der deutsche Finanzplatz passt hervorragend zur dezentralen, mittelständischen Wirtschaftsstruktur und zum deutschen Föderalismus. Die Strukturen der Wirtschaft und des Bankensektors sind sehr ähnlich. Unser Finanzplatz besteht aus mehreren führenden regionalen Finanzplätzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Dies entspricht der bekannten Struktur der deutschen Realwirtschaft, die vielfältig, wachstumsstark, international und stabil ist. Neue Herausforderungen müssen gemeistert werden. Eine diversifizierte Wirtschaft hat dafür gute Chancen. Die nachhaltige Transformation der Wirtschaft – der Megatrend des 21. Jahrhunderts – und ihre Finanzierung erfordern einen Aufbruch und massive Innovationen, Investitionen und Finanzmittel. Zur Erläuterung: Fin.Connect.NRW ist neben Frankfurt Main Finance, Finanzplatz Hamburg, Stuttgart Financial und Finanzplatz München Initiative (mit Beobachterstatus) Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Germany Finance; Berlin Finance Initiative kam hinzu. Die beteiligten Organisationen haben damit eine gemeinsame Plattform initiiert, um den kontinuierlichen Austausch untereinander weiter zu fördern und eine zentrale Anlaufstelle für am Finanzplatz Deutschland Interessierte aus dem In- und Ausland zu bieten.

Hill: Wie funktioniert die Zusammenarbeit bei Germany Finance? Ich frage das auch vor dem Hintergrund, dass ich Frankfurt sehr gut kenne und schätze, aus NRW/Köln komme und weiß, dass die Zusammenarbeit zwischen Ländern, Finanzplätzen und Organisationen oft nicht ganz einfach ist.


Plessentin: Die Zusammenarbeit bei Germany Finance funktioniert gut und kollegial. In diesem Jahr liegt die Sprecherrolle in Frankfurt, 2024 bei Fin.Connect.NRW. Als Germany Finance haben wir gemeinsam mit Studien zum Finanzplatz, zum Fintech-Standort, zu Sustainable Finance und im Frühjahr mit der Konsultation zur Attraktivität der Finanzbranche für junge Menschen einiges bewegt. Auch bei Fin.Connect.NRW funktioniert die Zusammenarbeit gut.


Hill: Für die Koordination einer Finanzplatzinitiative sind Erfahrung, übergreifende Expertise und über Jahre gewachsenes Vertrauen unerlässlich. Bei meinen Gesprächen geht es, wie Sie wissen, daher um die Sache und um die Menschen. Sie sind Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums NRW, waren vorher bei der DZ Bank, haben sich mit Unternehmenskrediten und Beteiligungsfinanzierungen, Förder- und Aufsichtsfragen beschäftigt und sind auch Autor zu diesen Fragen. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen?


Plessentin: Im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen bin ich in der Grundsatzabteilung engagiert, die sich mit Zukunftsfragen befasst. Koordination und Aufbau von Fin.Connect.NRW  sind daher nicht meine einzigen Aufgaben, sondern ich beschäftige mich auch mit den Grundsatzfragen des Kapital- und Finanzmarktes. Dabei hilft mir meine Berufserfahrung bei renommierten Instituten (DZ Bank und KfW nach heutiger Bezeichnung). Darüber hinaus hilft die Erfahrung aus der fachlichen Begleitung bei Spitzengesprächen, in der Leitung von Arbeitskreisen auf Bund-Länder-Ebene, mit den Ressorts bei der Förderbank-Gremienvorbereitung und mit der Wirtschaft. Von Hause aus bin ich Diplom-Betriebswirt und gelte als „Urgestein“ des Finanzplatzes.

Hill: Damit haben wir die Rahmenbedingungen von Fin.Connect.NRW und Ihrer Koordination beleuchtet, die für das Verständnis wesentlich sind. Die bisherigen Erfolge können sich sehen lassen. Für diese ambitionierte Aufgabe werden in einer Scaleup-Phase gleichwohl mehr Ressourcen und mehr Flexibilität benötigt. Nun zum Markenkern. Der Fokus von Fin.Connect.NRW liegt auf der Transformationsfinanzierung. Was heißt das konkret?


Plessentin: Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat den Investitionsbedarf für die klimaneutrale und digitale Transformation allein für NRW auf 70 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt (IW-Gutachten „Transformation in NRW. Wie lässt sich die digitale und klimaneutrale Transformation der Unternehmen in NRW am besten finanzieren?“). Davon entfallen auf die klimaneutrale Transformation 50 Mrd. Euro. Darin enthalten sind sowohl Zusatz- als auch Ersatzinvestitionen. Aus heutiger Sicht sind es eher 80 Mrd. Euro p.a. Der überwiegende Teil wird privat finanziert werden müssen. Die Banken können dies nicht alleine stemmen, auch der Kapitalmarkt muss besser genutzt werden. Die Herausforderung bei der Transformationsfinanzierung besteht oft darin, Kapitalangebot und -nachfrage besser zusammenzubringen. Das IW-Gutachten zeigt Handlungsempfehlungen auf. Die Landesregierung und Ministerin Neubaur haben sich das „Gemeinschaftsprojekt Klimaneutrale Industrieregion“ zum Ziel gesetzt. Nordrhein-Westfalen soll die erste klimaneutrale Industrieregion Europas und Vorreiter auf dem Weg zur Klimaneutralität werden. Mit Fin.Connect.NRW sollen die Kräfte für die Transformation gebündelt werden. Fin.Connect.NRW kann neue Lösungen anstoßen. Der Beitrag von Finanzwirtschaft und Unternehmen auf diesem Zukunftspfad ist von großer Bedeutung.

Hill: In der Tat sind die Herausforderungen gerade jetzt groß. Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Digitalisierung sind für die Finanzwirtschaft und die Unternehmen entscheidend. Geschäftsmodelle müssen transformiert, Produkte und Prozesse angepasst und ESG-Kriterien stärker berücksichtigt werden. Wie kann Fin.Connect.NRW mit seinen begrenzten Ressourcen dazu beitragen?


Plessentin: In der Startphase von Fin.Connect.NRW war das Gutachten des IW wichtig, das gemeinsam mit den Verbänden der Kreditwirtschaft vergeben wurde und erstmals den Investitions- und Finanzierungsbedarf für die Transformation in NRW quantifiziert hat. Finanzwirtschaft und Unternehmen sind gut beraten, die Chancen der Transformation zu nutzen. Eine Umfrage zeigt, dass größere Unternehmen die Chancen für ihre Wettbewerbsfähigkeit „auf dem Schirm“ haben. Bei kleinen und mittleren Unternehmen besteht häufig Informationsbedarf. Fin.Connect.NRW führt daher lösungsorientiert gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern Veranstaltungen durch, um unterschiedliche Akteure übergreifend zusammenzubringen, zu sensibilisieren, praxisnah zu informieren und Wissen zu vermitteln. Dazu dienen auch die Website und der vierteljährlich erscheinende Newsletter. Wir freuen uns, dass diese Angebote gut angenommen werden. In Zukunft wird es darauf ankommen, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern das Matching weiter zu intensivieren. Ich gehe davon aus, dass die neue Geschäftsstelle, die mit mehr Ressourcen ausgestattet sein wird, einen Lenkungskreis und thematische Arbeitsgruppen einrichten und die Partner einbeziehen wird.


Hill: Sie sind des Öfteren auch in Frankfurt. Was schätzen Sie an Frankfurt?

Plessentin: Frankfurt ist der größte deutsche Bankenplatz und international aufgestellt. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen ist gut und ich treffe mich zum Austausch. Und vom Rhein an den Main ist es nur ein „Katzensprung“.

Hill: Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie lange werden Sie Fin.Connect.NRW noch koordinieren? Werden Sie Ihre vielseitige Erfahrung und Expertise weiter einbringen?


Plessentin: Meine Dienstzeit im NRW-Wirtschaftsministerium endet am 31. Juli 2023. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Kolleginnen, Kollegen und Kooperationspartnern für das Vertrauen und die konstruktive Zusammenarbeit zu danken. Die Themen machen mir Spaß, das Netzwerk ist ausgeprägt und ich habe Anfragen. Schauen wir mal.

Hill: Große Aufgaben und interessante Perspektiven. Es bleibt spannend. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

H.-Joachim Plessentin hat in vier Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen wichtige Impulse und Beiträge zur wirtschaftspolitischen Entwicklung des Landes NRW gegeben und seine Expertise beratend und unterstützend eingebracht. Er koordinierte die Finanzplatzinitiative Fin.Connect.NRW vom 15. Juni 2020  bis zum 31. Juli 2023, war langjähriger Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums NRW sowie zuvor Banker bei der DZ Bank und der KfW (heutige Bezeichnungen), ist Diplom-Betriebswirt und Autor. Das Interview wurde im Juli 2023 geführt.

Links: www.fin-connect-nrw.de

Germany Finance (germany-finance.com)

Studien: IW-Gutachten „Transformation in NRW. Wie kann die digitale und klimaneutrale Transformation in NRW am besten finanziert werden?

Der Finanzplatz Deutschland als Eckstein des europäischen Finanzsystems

FRANKFURT & KNOWHOW: „Anlagepräferenzen institutioneller Anleger“, USA, Kanada, Europa – Erneuerbare Energien, Infrastruktur & Private Markets (INTERVIEW – Sebastian Thürmer, artis ACM)

USA, Kanada, Europa, Erneuerbare Energien und Infrastruktur – Markus Hill sprach für FINANZPLATZ FRANKFURT.DE mit Sebastian Thürmer, artis ACM, über aktuelle Trends in den Bereichen Immobilien, Alternative Investments und ESG. Grundlagen des Gespräches zu verschiedenen Themen wie Direktinvestments, Spezialfonds und das Segment Private Markets war unter anderem die kürzlich durchgeführte Studie „Anlagepräferenzen institutioneller Anleger“.

Hill: Sie sind gegenwärtig dabei, auch Gelder für nordamerikanische Kapitalanlagen seitens deutscher Institutioneller einzuwerben. Produktinitiatoren sprechen hier aktuell von einer stark gestiegenen Nachfrage bei diesen Investoren. Stimmt das und warum ist das so?

Thürmer: Im Vergleich zu Europa punkten die USA und Kanada mit langfristig besseren Konjunkturdaten, positiv demographischen Aussichten, attraktiven Standortbedingungen, einer proaktiven Industriepolitik und niedrigen Energiepreisen. In Deutschland und Europa beobachten wir schon längere Zeit eine Art Deindustrialisierung der Wirtschaft, also Standortverlagerungen. Kapitalanleger schließen sich nun diesem Trend an. Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr, schließlich bieten besonders die USA und Kanada einen hohen Grad an Rechtssicherheit, welches Länder und Regionen in Asien nicht unbedingt bieten können. Im Prinzip ist diese Einstellung aber eher ein Votum gegen Deutschland und Europa, da viele Anleger politische Entscheidungen zum Beispiel in der Energiepolitik oder das Ignorieren struktureller Probleme, nicht mehr nachvollziehen können. Das sorgt vermehrt für Unsicherheit und Verdruss. In der von artis Institutional Capital Management und Telos Rating initiierten Studie „Anlagepräferenzen institutioneller Anleger“ kam dieser Trend auch deutlich zum Ausdruck. Netterweise hatten Sie ja im Mai dieses Jahres die Ergebnisse der Studie mit mir, Alexander Scholz (TELOS), Martin Krause & Martin Stoss (BVT Holding) in einem Podcast diskutiert, ich freue mich natürlich auch auf die baldige Veröffentlichung unseres Gedankenaustausches. Sie moderieren ja auch noch bei einem Panel zum Thema „Immobilien, Alternative Investments, ESG – Herausforderungen für Family Offices & institutionelle Investoren“ auf dem P5 THE PROPERTY CONGRESS von Dr. Dominik Benner am 7. Juli in Frankfurt. Herr Scholz wird ja auch mit dabei sein, ebenso Herr Dr. Benner selber und Jan Paul Becker. Ein interessanter Mix von Fachleuten, zumal hier auch noch die besondere Betrachtungsweise von Family Offices zu diesem Themenkreis angesprochen wird.

Sebastian Thürmer, artis ACM

Hill: Also wenden sich institutionelle Investoren von Deutschland und Europa ab?

Thürmer: Diese Einschätzung würde ich so nicht teilen, aber Anleger sind momentan außereuropäischen Kapitalanlagen offener eingestellt als noch vor wenigen Jahren und erhöhen demnach hierfür ihre Quoten. Anlageschwerpunkt deutscher Institutioneller bleibt weiterhin die Heimatregion. Hier werden aber zukünftig Anlageklassen bevorzugt, welche eher konjunkturunabhängig sind.

Hill: Sprechen Sie vom Thema Energie-Infrastruktur?

Thürmer: Energie-Infrastruktur ist in der Tat eines der Megathemen, deckt aber nur einen Teilbereich im Bereich Infrastruktur ab. Infrastrukturinvestitionen werden in den kommenden Jahren enorm an Bedeutung gewinnen. Thematisch steht bei Institutionellen der Sektor Energie als Kernstück der Energiewende ganz oben auf der Agenda. Fakt ist aber auch, dass einige Institutionelle von der Energiepolitik beziehungsweise der in Deutschland grassierenden Heizungsdebatte irritiert sind und Anlageentscheidungen hinauszögern. Mir ist zwar noch kein Fall von einem Investitionsstopp bekannt, aber diese Diskussion und hieraus mögliche Auswirkungen schaden dem Standort Deutschland. Der Bereich Infrastruktur wird als Mix zukünftig breiter aufgestellt sein müssen. Themen wie Verkehrsinfrastruktur, also Personenverkehr und Gütertransport als auch Soziales wie Gesundheit und Bildung sind bislang nicht oder nur geringfügig implementiert. Der gewaltige Investitionsbedarf in Energie, Digitalisierung oder nachhaltige Transportthemen erfordert sehr viel Kapital. Demnach werden Infrastrukturanlagen in den Portfolien der Assekuranz oder von Altersvorsorgeeinrichtungen in den kommenden Jahren massiv im Neugeschäft zulegen.

Hill: Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Quote der Infrastrukturinvestments die der Immobilien in fünf oder zehn Jahren überholt?

Thürmer: Ob in fünf oder zehn Jahren Immobilien oder Infrastruktur eine stärkere Gewichtung in der Gesamtallokation einnehmen, ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Beide Assetklassen haben in der Kapitalanlage ihre Bedeutung und demnach auch ihre Berechtigung. Beide Assetklassen sind ohnehin miteinander verwandt und verzahnen sich im Laufe der Zeit. Einige professionelle Anleger haben beide Bereiche ohnehin schon zusammengelegt.

Hill: Wie schätzen Sie denn aktuell die Anlageklassen Immobilien, Private Equity und Private Debt ein?

Thürmer: Wir sehen für 2024 weltweit eine leichte Konjunkturaufhellung, rückläufige Inflationszahlen und daraus folgend möglicherweise wieder sinkende Zinsen. Das wäre ein guter Nährboden für diese Assetklassen. Bei Immobilien zeigen sich Institutionelle derzeit recht zurückhaltend. Das Preisniveau ist in den vergangenen 12 Monaten zum Teil deutlich gesunken. Dies geht einher mit stark steigenden Mieten. Das macht Immobilien dann wieder attraktiver und dürfte bei Zinssenkungen durchschlagen. Wahrscheinlich fokussieren sich Institutionelle weiter auf Wohnimmobilien, im Gegensatz zu gewerblichen Immobilien. Als investitionswürdig gelten dann Neubauimmobilien sowie Bestandsimmobilien mit Baujahren nahe der Neubaugrenze. Bei älteren Gebäuden ist die Kostenschätzung der energetischen Sanierung oftmals mit Risiken behaftet. Private Equity-Anlagen sind traditionell sehr hoch kreditfinanziert, so dass einige Deals in Frage gestellt werden. Mit einem rückläufigen ZInsniveau entspannt sich auch hier die Situation. Private Debt sehe ich als einen wichtigen Baustein für die Zukunft. Im Vergleich zu den USA spielt diese Assetklasse in Europa noch immer ein Nischendasein, aber mit einem sehr großen Wachstumspotenzial. Niedrigere Zinsen dürften dieser Assetklasse überproportional helfen. Private Debt wird den klassischen Bondmärkten deutlich zusetzen. Aufgrund regulatorischer Faktoren wie beispielsweise die Baseler Eigenkapitalvorschriften werden Banken und Sparkassen, welche immer noch den Löwenanteil an Kreditfinanzierungen stellen, im Neugeschäft deutlich zurückhaltender agieren, weshalb Investoren und Projektentwickler gezwungen sein werden, auf alternative Anbieter zurückzugreifen. Investoren profitieren von hohen Renditeaufschlägen.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, einem unabhängigen Consultant und Placement Agent für institutionelle Investoren in der DACH-Region.

FRANKFURT & KNOWHOW: „Wholistische Innovation“, Finanzplatz, Blockchain, Kryptowinter und Krimis (INTERVIEW – Dieter Brockmeyer, Diplomatic World)

„Was die Zukunft anbelangt, so haben wir nicht die Aufgabe, sie vorherzusehen, sondern sie zu ermöglichen“ (Antoine de Saint-Exupéry). Markus Hill sprach mit Dieter Brockmeyer, Diplomatic World, über das Thema „Wholistische Innovation“. Angesprochen wurden hier Punkte wie Finanzplatz Frankfurt, Blockchain, Bitcoin, Kryptowinter und die Kunst der Entspannung.

Hill: Wholistische Innovation, was ist darunter zu verstehen?

Brockmeyer: Wir sehen Innovationen immer noch viel zu isoliert. Dabei hat alles was ich in einem Segment anstoße auch Auswirkung auf benachbarte Segmente. Das wird gerne außer Acht gelassen, einfach weil wir auf kurzfristige Entscheidungen zum eigenen Vorteil geprägt sind. Das hat uns immer das Überleben gesichert und unseren Kindern einen besseren Start ermöglicht. Nur heute sind die Probleme so komplex geworden, dass sie nur noch gemeinschaftlich und grenzüberschreitend gelöst werden können. Dazu gehört Dialog- und Kompromissbereitschaft, die aktuell aber wieder von Ideologien verdrängt wird. Das ist sehr gefährlich.

Dieter Brockmeyer, Diplomatic World ( Bild: Olaf Deneberger)
Dieter Brockmeyer, Diplomatic World – Bild: Olaf Deneberger

Hill: Was hat das mit einem Finanzplatz wie Frankfurt zu tun?

Brockmeyer: Sehr viel! Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Wir müssen uns regenerieren und das geht nur in einem lebenswerten Umfeld. Und auch die Arbeitsbedingungen müssen so sein, dass ich meine Leistungskraft voll entfalten kann und es mir dabei gut geht. Auch hier hilft ohne Zweifel eine ganzheitliche und übergreifende Betrachtungsweise. Hinzu kommt, dass das alles Geld kostet, das erst einmal erwirtschaftet werden muss und auch die Finanzmärkte vor eine Disruptionswelle stehen. Bitcoin und Co haben langfristig enorme Auswirkungen – und das ist erst der Anfang. Das betrifft auch den Finanzplatz Frankfurt, der sich übrigens gar nicht so schlecht schlägt, wie von mancher Seite unterstellt wird. Ich lebe sehr gerne in dieser Stadt. Das ist jetzt sehr subjektiv. Es wird aber gestützt von immer mehr internationalen Rankings in denen Frankfurt immer bessere Positionen einnimmt.

Hill: Trotz einiger Skandale und dem sogenannten Kryptowinter scheint sich der Bitcoin stabilisiert zu haben.

Brockmeyer: Kryptowährungen sind immer noch ein recht junger Bereich und sind gerade erst am Anfang eines Übergangs zu geregelten Strukturen. Da sind Rückschläge und Reinigungsprozesse normal und die Volatilität ist enorm. Das Problem ist auch die Geschwindigkeit, mit der sich Blasen aufbauen und platzen. Die Internetblase baute sich in den 1990ern über 10 Jahre auf, bevor sie platzte. Seit 2015 haben wir bereits die ich glaube vierte Konsolidierung gesehen. Das geht natürlich an die Nerven.

Hill: Haben wir jetzt die Trendwende?

Brockmeyer: Das Potential der Blockchain Technologie ist enorm, nicht nur in der Finanzindustrie. Was wirklich geht, das wird sich erst nach vielen Versuchen und einigem Scheitern herausstellen. Das ist immer so. Hier müssen wir aber auch vorsichtig sein, denn die Blockchain ist auch eine potenziell sehr gefährliche Technologie, je nachdem, wie man sie einsetzt. Jede Transaktion wird für alle Zeit gespeichert und kann nachvollzogen werden. Anonymisiert zwar, aber das kann durch gezielte Regulierung und in Kombination mit anderen Technologien ausgehebelt werden. Wir müssen klar definieren, was wir wollen und was nicht. Das ist eine immer drückender werdende gesellschaftlich Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Hill: Werden wir neue Rekordstände beim Bitcoin sehen?

Brockmeyer: Als wir die Turbulenzen bei den Banken hatten, sehen wir zum ersten Mal, dass der Bitcoin gegen den Trend regelrecht nach oben ausgebrochen ist, stärker als die Edelmetalle. Bitcoin hat sich zum ersten Mal so verhalten, wie es seine Jünger immer vorhergesagt haben und dient zum ersten Mal als so etwas wie einen sicheren Hafen für Geldwerte. Ob das langfristig so bleibt, das wird die Zukunft zeigen. Denn dieser Kryptofrühling findet aber in einem veränderten Umfeld statt. Krypto Assets sind längst im normalen regulierten Finanzmarkt angekommen und Regierungen sind sehr darum bemüht auch einen Regulierungsrahmen für Kryptoprodukte zu schaffen. Hinzu kommen die Bemühungen um nationale Kryptowährungen wie den digitalen Euro. Das wird zwar noch einige Jahre dauern, aber es verändert natürlich das Umfeld. So viel jedenfalls scheint aber klar: Die Wild West Zeiten sind vorbei und damit dürften auch die allergrößten Ausschläge nach oben vorbei sein. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber ich halte die Prognosen für neue Höchststände bei Bitcoin und Co. für übertrieben. Im kommenden Jahr steht voraussichtlich Ende April das nächste Halfing an bei dem der Aufwand einen Bitcoin zu „minen“ sich wieder verdoppeln wird. Die vergangenen Male hat das immer zu regelrechten Kursexplosionen geführt. Es wird spannend sein zu sehen, ob es dieses Mal wieder so ist oder die Ausschläge etwas moderater ausfallen.

Hill: Das bringt mich zum Schluss: Was macht Dieter Brockmeyer, wenn er mal nicht arbeitet?

Brockmeyer: Mit einem guten Essen kann man mich sehr leicht vom Schreibtisch weglocken und gelingt gelegentlich auch mit einem guten Buch, wobei sich ein Faible für Kriminalromane herausgebildet hat. Gelegentlich kann man mich auch zu Galerie, Theater oder Konzertbesuchen motivieren, wobei leider meine alte Liebe für gutes Kino inzwischen häufig zu kurz kommt.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

Dieter Brockmeyer ist ein international anerkannter Medien- und Innovationsexperte, Publizist, Keynote-Speaker und Moderator. Er ist Chief Project Officer, CPO, von Diplomatic World, einem Medienprojekt, das seit der Jahrtausendwende am Markt ist und mit seinem vierteljährlichen Magazin sich als Meinungsmedium in der Diplomatie im Raum Brüssel und weit darüber hinaus einen Namen gemacht hat. Er ist Mitgründer und der Innovationsexperte des Diplomatic World Institutes, DWI, in Brüssel, sowie Partner der internationalen Audio-Podcast-Reihe „2hochMEHR“ zum Thema Innovationsdenken. Er kuratiert internationale Branchenkongresse und entwickelte die Wholistic World Innovation Trophy, die das DWI 2021 erstmals virtuell vergeben hat, und die im November 2022 im Casa Llotja del Mar in Barcelona ihre physische Premiere feierte. Die internationale Auszeichnung basiert auf dem Konzept der „Wholistischen Innovation“, das er für das Institut entwickelt hat und in seinen auf Amazon erhältlichen letztem Büchern „Pandemia’s Box“ auf Englisch und Deutsch erläutert wird.

Das Konzept der „Wholistischen Innovation“ wird in dem Buch „Pandemia’s Box“ erklärt, erhältlich im Buchhandel und den Onlineplattformen.

FRANKFURT & NETWORKING: „Care Gen“, Community Building, 5. Finfluencer Circle Treffen & Lieblingsmenschen (INTERVIEW – Birgit Hass, BB Beteiligungsbörse Deutschland GmbH)

Am Finanzplatz Frankfurt am Main bieten sich viele Gelegenheiten für einen gepflegten Gedankenaustausch. Markus Hill sprach für FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE mit Birgit Hass, BB Beteiligungsbörse Deutschland GmbH, über die persönliche Motivation für Themen wie Networking, Social Media, Community Building, „Care-Gen“ und das anstehende 5. Finfluencer Circle Treffen in Frankfurt (Kooperation: Baader Bank AG & CMS Deutschland). Zusätzlich angesprochen wurden auch ihre Interessen für die Bereiche Mittelstand, Beteiligungen, Startups, „Romantik“ und Lieblingsmenschen.

Hill: Was bedeutet für Sie Networking?

Hass: Ich bin ein Networker aus Leidenschaft. Gerne bringe ich Menschen und Marken zusammen. Irgendwie liegt das in meiner DNA. In Sachen Sichtbarkeit und Netzwerk macht man mir wenig vor. Ich bin einfach ein Community Builder und Matchmaker. Ich liebe es Menschen und Ideen zu matchen, 360° Content zu produzieren und zu promoten. Ich denke, dass Netzwerken und Community Builden in der Zukunft immer bedeutender werden, v.a. im Metaverse. Da braucht man diese Stärken. Wenn man dazu noch eine gewisse Empathie mitbringt und das Care-Gen, dann hat man den Menschlichkeitsfaktor, den die Maschine nie ersetzen können wird. Daher bin ich hoffentlich für die Zukunft gut gerüstet.

Hill: Sie betreiben intensiv Networking in Frankfurt. Was steht bei Ihnen aktuell an?

Hass: Gerade bin ich mit bereits dabei das 5.te Finfluencer Circle Treffen mit CMS Deutschland und der Baader Bank zu organisieren. An meiner Organisationsseite stehen Dr. Andreas Zanner, Bianca Hoffmann sowie Nathalie Richert und Nico Baader. Am 22.06 ist es soweit. Diesmal feiern wir auf einer der schönsten Dachterrassen Frankfurts 40 Jahre Baader Bank, sprechen über Unternehmensfinanzierung, Retail, mögliche Wege an die Börse & was man unbedingt dabei beachten sollte! Natürlich darf das Networking nicht zu kurz kommen!

Speaker:

  • Birgit Hass, Finfluencer Circle – BB Beteiligungsbörse Deutschland GmbH
  • Nico Baader, Baader Bank
  • Nathalie Richert, Baader Bank
  • Sabina Prüser, Secure Point
  • Dr. Andreas Zanner, CMS Deutschland
  • Florian Plagemann, CMS Deutschland
  • Bettina Laurick, FidAR
  • Robert Halver, Baader Bank
  • Christoph Greitemann, Deutsche Telekom
  • Matthias Wittenburg, Beteiligungsboerse Deutschland
  • Sophie Charlotte Salathé, CMS Deutschland

Hill: Was machen Sie gerade, wenn Sie nicht „finfluencen“?

Hass: Ich bin CMO bei der Beteiligungsbörse Deutschland, der hybriden Plattform für mittelständische Direktbeteiligungen. Dort bin ich 360° für Marketing und Kommunikation zuständig. Auch die Beteiligungsbörse ist ein Matchmaker! Das gefällt mir persönlich natürlich besonders gut. Wir bringen die mittelständischen Unternehmen mit den passenden Investoren auf einer hybriden Plattform zusammen. Die Themen Unternehmertum- und StartUp Förderung, Female Empowerment, Networking, Personal Branding liegen mir am Herzen. Privat lese ich gerne Ratgeberbücher, sehe gerne romantische Filme oder Serien, treffe Familie und Freunde und mag Wellness & Reisen. Mein Lieblingsmensch ist meine Tochter.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich auch auf ein Wiedersehen am Abend bei einem interessanten Stammtisch, den Ingo Narat und Holger Ullrich organisieren.

Birgit Hass ist Chief Marketing Officer, Finfluencerin, Netzwerkerin, Beirätin, Mentorin, Content Creatorin und Social Media Expertin. Sie bringt jede Menge Marketing- und Kommunikationserfahrung aus den Medien (Sky, sport1, Bellevue and More AG, der Agenturwelt (Chocolate Blue, CMF Advertising, Klickkonzept GmbH) sowie aus der Fintech Branche (creditshelf, Traxpay, Beteiligungsbörse Deutschland) mit. Als Gründerin des Finfluencer Circles connected sie Influencer und Finanzentscheider um ihr Wissen über Geldanlage und Finanzen zu teilen und gemeinsam mehr zu erreichen.

LINKEDIN-PROFIL : Birgit Hass

BETEILIGUNGSBÖRSE DEUTSCHLAND: www.beteiligungsboerse.eu

Birgit Hass (BETEILIGUNGSBÖRSE) & Markus Hill (FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE
Birgit Hass (BETEILIGUNGSBÖRSE) & Markus Hill (FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE)

FRANKFURT & RESEARCH: Studie „Immobilien, Alternative Investments und ESG“, Wiesbadener Investorentag, USA, Immobilien & „Funds, Bikes & Espressi“ (INTERVIEW – Alexander Scholz, Telos GmbH)

„Mir ist es eingefallen, während ich Fahrrad fuhr.“ (Albert Einstein). Markus Hill*sprach für FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE mit Alexander Scholz, Telos Gmbh, über die Investorenbefragung 2023 „Immobilien, Alternative Investments & ESG“. Themen wie Private Debt, Infrastruktur, US-Immobilien und Risikomanagement bei institutionellen Investoren werden hier ebenso angesprochen wie das Thema Podcast, „Funds, Bikes & Espressi“ und der Wiesbadener Investorentag.

Hill: Herr Scholz, Sie hatten Anfang des Jahres zusammen mit artis institutionelle Investoren bezüglich deren Anlageverhalten bei Immobilien und Alternative Investments befragt. Was sind die wesentlichen Erkenntnisse der Umfrage?

Scholz: Zunächst möchte ich mich bei allen Teilnehmenden ganz herzlich bedanken. Je höher die Teilnehmerzahl, umso höher ist die Aussagekraft einer Studie. Mit erneut knapp 60 teilnehmenden deutschen institutionellen Investoren können wir mit Fug und Recht sagen, dass die Studie eine sehr hohe Aussagekraft hat. Betrachtet man die Ergebnisse, so lässt sich eine gewisse Zurückhaltung der institutionellen Investoren feststellen – quasi ein „Verschnaufen“. Gerade im Bereich der Immobilien ist die Euphorie der letzten Jahre zum Stoppen gekommen. Ein deutlicher Ausbau der Immobilienquoten ist nicht zu erwarten – aber auch kein Ausverkauf bestehender Objekte. Bei den Alternative Investments liegen Infrastruktur und erneuerbare Energien weiterhin im Trend. Bei Private Debt ist wie bei Immobilien eine gewisse Zurückhaltung zu spüren.

Alexander Scholz, TELOS GmbH
Alexander Scholz, TELOS GmbH

Hill: Worauf führen Sie die Zurückhaltung der Anleger zurück?

Scholz: Vieles hängt mit der Zinsentwicklung zusammen. Insbesondere regulierte institutionelle Investoren mussten spürbare Verluste auf ihre Anleiheninvestments hinnehmen. Dies hat nicht nur das verfügbare Risikokapital der Anleger reduziert, sondern auch zu einer – passiven – Erhöhung der Alternative-Quoten geführt. Infolge dessen warten institutionelle Investoren zunächst den Abruf ihrer in den Vorjahren gemachten Commitments ab, bevor sie Neuallokationen anstoßen. Ein weiterer Effekt der gestiegenen Renditen ist, dass institutionelle Investoren ihre Verpflichtungen nunmehr auch mit klassischen Anlagen wie Staatsanleihen, Covered Bonds sowie Unternehmensanleihen erfüllen können. Platt gesagt: 2,5% bekommen ich auch locker mit einer Mischung aus 50% Staats- und 50% Unternehmensanleihen hin. Auch wenn dies sicherlich zu kurz gedacht ist. Eine vernünftig diversifizierte Asset Allokation mit liquiden und Alternative Investments ist auch weiterhin der richtige Ansatz.

Hill: Gibt es weitere Trends, die Sie auch der Studie ableiten können?

Scholz: Bei Immobilien und Alternatives können wir eine „Internationalisierung“ feststellen. Anleger schauen sich auch in diesen Segmenten zunehmend nach Anlageopportunitäten außerhalb Deutschlands um – zum Beispiel US Immobilien. Im Prinzip verhalten sich die Investoren bei Immobilien und Alternatives so wie sie es früher auch bei den klassischen liquiden Anlageklassen gemacht haben. Statt wie früher DAX und REX sind heutzutage Aktien und Anleihen aus den Schwellenländern normale Portfoliobestandteile.

Hill: Wie sieht mit dem Thema Nachhaltigkeit aus? Ist dies aufgrund der Marktentwicklungen aus dem Fokus der institutionellen Investoren gerückt?

Scholz: In Teilen ja. Die hohe Inflation mit all ihren Folgen (steigende Zinsen, Rezession etc.) gepaart mit geopolitischen Ereignissen hat das Thema ESG etwas in den Hintergrund rücken lassen. Dennoch muss man klar sagen, das Asset Manager, die das Thema nicht ernsthaft angehen, zukünftig einen schweren Stand bei der Gewinnung neuer Mandate haben werden. Hier wird alleine die Aufsicht durch ihre Vorgaben sorgen – wie z.B. mit dem 8. Änderungsgesetz für SGB IV Anleger. An dieser Stelle möchte ich auch noch auf einen Video-Cast hinweisen, in dem detaillierter auf die Ergebnisse der Studie eingegangen wird. Danke noch für die Moderation der Runde, über den interessanten Gedankenaustausch zu den Ergebnissen der Studie mit Sebastian Thürmer sowie über das Thema „USA & Immobilien“ mit Martin Krause und Martin Stoß von der BVT Holding habe ich mich sehr gefreut. Investoren, die Interesse an der Studie haben, können sich gerne unter info@telos-rating.de bei uns melden. Über einige Ergebnisse der Studie werden wir bestimmt auch noch bei unserem gemeinsamen Panel in Frankfurt am Main am 7. Juli sprechen. Ich freue mich auf die Diskussion mit Dr. Dominik Benner (Benner Holding GmbH), Florian Schmitt (VBG Invest AG) und Jan-Paul Becker (Jan Paul Becker Institut GmbH). Dort können wir dann auch vertieft über andere Themen wie Due Diligence, Performance, Rendite und die aktuellen Herausforderungen von Family Offices beim Investment in liquide und nicht-liquide Assets sprechen.

Hill: Welche Strömungen nehmen Sie noch bei institutionellen Investoren wahr?

Scholz: Das Jahr 2022 hat tiefe Spuren in den Portfolien hinterlassen. Insofern gewinnt das Thema Risikomanagement klar an Bedeutung. Auf die Frage, worauf institutionelle Investoren bei Managerauswahl Wert legen, wurde das Kriterium Risikomanagement am häufigsten genannt, noch vor Performance. Weitere wichtige Faktoren sind Transparenz, Kommunikation und Kundenbetreuung. Der Faktor Kosten spielt eine deutlich geringere Rolle als noch in den Vorjahren.

Hill: Das ist interessant. Kann man sagen, dass Qualität vor Preis geht?

Scholz: Letztendlich ja, auch wenn dies sicherlich nicht bedeutet, dass die Investoren nun jeden Preis akzeptieren. Auf jeden Fall lohnt es sich, die Qualität der Prozesse und des Risikomanagements genau zu analysieren, wenn man einer Asset Manager auswählt.

Hill: Sie haben das sehr herausfordernde Umfeld für die Investoren angesprochen. Was schlagen Sie den Anlegern konkret vor?

Scholz: Konkrete Anlageempfehlungen sprechen wir bei TELOS nicht aus. Aber vielleicht finden Investoren ja ein paar Anregungen und Ideen beim Wiesbadener Investorentag am 22. Juni. Weitere Informationen stehen auf unserer Homepage (www.telos-rating.de) unter der Rubrik „Veranstaltungen“.

Hill: Verlassen wir die Welt der Kapitalmärkte. Wie lief das Frühjahr in sportlicher Hinsicht?

Scholz: Bei dem Wetter in diesem Frühjahr hätte ich auf Wassersport umsatteln können. Der Regen und die niedrigen Temperaturen haben mir in meinen Planungen gehörig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Selbst ein geplantes „Trainingslager“ mit unserem kleinen Team „Funds, Bikes & Espressi“ (an dieser Stelle grüße ich Stephan Jacobs von Active Fundplacement, Peter Kerger von MBMs/GreenVesting und Olaf Struckmeier von Bike Union) Mitte Mai am Gardasee ist ins Wasser gefallen. Insofern war der Saisonauftakt bescheiden, aber ich hoffe einen schönen Sommer mit netten Touren.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.

Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de

Veranstaltungshinweis „14. Wiesbadener Investorentag“ (22.6.2022)

HIER KLICKEN: Telos Wiesbadener Investorentag

FRANKFURT & KNOWHOW: Family Offices, Family Governance, Asset Allocation, Motivation & “Jahrestagung Family Office” (INTERVIEW – Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM)

Dr. Henning Schröer hat für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über 10 Jahre geleitet. Mit fidubonum (www.fidubonum.de) berät er nun vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen, wozu auch die Beratung beim Aufbau passgenauer Family Office-Strukturen gehört. Markus Hill sprach für FINANZPLATZ-FRANKFURT-MAIN.DE mit ihm über Themen wie Familienverfassung, Vermögensstrategie und das Anforderungsprofil für Family Officer vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen beim Aufbau eines Single Family Offices. Zusätzlich angesprochen wurden die persönliche Motivation für dieses Berufsfeld, die eigenen Lehr- und Publikationsaktivitäten, Stichwort „Jahrestagung Family Office“, sowie die persönlichen Ansichten zur Region Frankfurt-Rhein-Main.

Hill: Herr Schröer, Sie haben sich mit der fidubonum KG selbständig gemacht und bieten eine Strategie- und Strukturberatung für hochvermögende Familien an. Was muss man sich darunter vorstellen?

Schröer: Hochvermögenden Familien stellt sich wie jedem anderen Vermögenden die Herausforderung, ihr Geld so anzulegen, dass es dem eigenen Rendite-Risiko-Empfinden entspricht. Bei ihnen kommen aber noch etliche Fragestellungen hinzu: Die Familie muss sich untereinander organisieren und klären, wer für sie die Entscheidungen über die Vermögensanlage trifft. Die mit zunehmender Familiengröße meist immer größer werdenden Fliehkräfte innerhalb der Familie müssen durch vertrauens- und gemeinschaftsbildende Maßnahmen eingedämmt werden, damit die Familie zu einer einheitlichen Willensbildung in der Lage bleibt. Und je komplexer diese familiären Anforderungen und das Vermögen sind, desto dringlicher braucht die Familie ein Family Office, bei dessen Strukturierung und Gründung ich auch helfe.

Hill: Das hört sich sehr vielschichtig an. Was befähigt Sie zu einer so breit angelegten Beratungstätigkeit?

Schröer: Ich habe für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über zehn Jahre lang geleitet. Dabei habe ich mich mit all den oben erwähnten Fragestellungen – und noch etlichen anderen – sehr eingehend auseinandersetzen dürfen. Seit ich selbständig bin, habe ich auch einige weitere Familien betreut. Zudem beschäftige ich mich auch wissenschaftlich mit diesen Themen, schreibe Aufsätze und halte Vorträge. Mein großes Netzwerk kommt mir hier ebenfalls zugute; hier höre ich oft, wie andere Familien bestimmte Herausforderungen angegangen sind. Außerdem arbeite ich mit vielen Kooperationspartnern zusammen, von denen ich einerseits lerne und die andererseits dort in die Tiefe gehen können, wo sich das mit meinem generalistischen Ansatz nicht darstellen lässt.

Hill: Ist in einer Welt immer größerer Spezialisierung ein solch generalistischer Ansatz denn noch gefragt?

Schröer: Unbedingt! Sie brauchen in diesen komplexen Fragen, in denen rechtliche, steuerliche, vermögensstrategische, personelle, psychologische und planerische Aspekte zusammenkommen, jemanden, der den Überblick behält. Family Offices funktionieren wie viele Organisationen – wo ein Orchester von Spezialisten spielt, muss einer dirigieren. Viele Fragen lassen sich aber auch schon vom Generalisten lösen und vor allen Dingen vermeidet er manche Irrwege. Insofern sollten sich Generalist und Spezialisten hier nicht ausschließen, sondern ergänzen. Wenn man unbedingt auf einen von beiden verzichten wollte, dann eher auf den Spezialisten als auf denjenigen, der die Familie von Anfang bis Ende durch diesen komplexen Prozess führen kann.

Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM.
Dr. Henning Schröer, FIDUBONUM

Hill: Können Sie diesen Prozess einmal in groben Zügen beschreiben?

Schröer: Am Anfang sollte immer die sogenannte Inhaberstrategie stehen. Hier muss sich die Familie über ihre Werte und Ziele und die Zwecke ihrer Vermögensbewirtschaftung klar werden. Sinnvoll ist es auch, hier die Rollen der einzelnen Familienmitglieder und Regeln für den Umgang miteinander festzulegen. Wenn noch ein Familienunternehmen vorhanden ist, sollte sich die Familie auch diesem gegenüber klar und einheitlich positionieren. Das Ganze legt man dann am besten in einer Familienverfassung nieder. Sie ist dann die Grundlage für die Entwicklung der Gesamtvermögensstrategie, in der bestimmt wird, mit welchem Chance-Risiko-Profil in welche Assetklassen investiert werden soll. Dabei sollten dann auch steuerliche Optimierungen, die Finanzierungsstruktur und etwaige Liquiditätserfordernisse berücksichtigt werden. Mit diesen Leitplanken kann man dann für jede Vermögensklasse eine Assetklassenstrategie und einen Investitionsplan entwickeln.

Hill: Damit hat man einen Fahrplan für die Vermögensanlage und für einige darüber hinaus gehende familiäre Ziele. Die Familie braucht aber wahrscheinlich auch eine passende Organisation, um diesen Fahrplan umzusetzen, oder?

Schröer: Genau. Diese Organisation zu strukturieren, ist der zweite wesentliche Teil meines Beratungsprozesses. Und auch diesen Teil kann man wieder in drei Bereiche unterteilen: Die Family Governance, mit der der Zusammenhalt der Familie gewährleistet werden soll. Da geht es um gemeinsame Aktivitäten, Einrichtungen und Kommunikationsstrukturen für die Familienmitglieder, aber auch um deren Ausbildung. Auch ein Krisen- und ein Konfliktmanagement gehören dazu. Der zweite Bereich ist die sog. Corporate Governance. Damit ist eine strategiekonforme Gesellschafts- und Organstruktur gemeint, über die mittels Kontrolle und Beratung sichergestellt werden soll, dass die operativen Geschäftsführungen die inhaberstrategischen Ziele der Familie verfolgen und erreichen. Der dritte Bereich und quasi die Klammer um alles ist das Family Office. Es kann den anderen beiden Bereichen zuarbeiten, aber auch weit darüberhinausgehende Aufgaben übernehmen.

Hill: Gibt es Mandanten, die diesen ganzen komplexen Prozess mit Ihnen durchlaufen? Sind das Ihre Idealkunden?

Schröer: Die gibt es schon, z.B. wenn ein Vermögen bisher vom Unternehmensgründer mehr oder weniger allein verwaltet wurde und er über eine Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern nachdenkt, weil er sich langsam zurückziehen möchte. Oder im Fall eines Verkaufs eines Familienunternehmens, wonach die Familie plötzlich auf einem großen Haufen Geld sitzt und erst einmal klären muss, zu welchen Zwecken, mit welchen Zielen und vor allem wie es angelegt werden soll. In diesen Situationen alle Fragen ganz strukturiert angehen und quasi auf der grünen Wiese passgenaue Lösungen entwickeln und umsetzen zu können, ist schon ein besonderes Privileg. Aber genauso spannend kann es sein, z.B. beim Aufbau eines Family Offices zu unterstützen, wenn der strategische Rahmen schon klar ist und auch die Family und Corporate Governance-Strukturen im Wesentlichen schon bestehen.

Hill: Ist die Gründung eines Family Offices damit Ihr besonderes Steckenpferd?

Schröer: Zumindest kann ich aufgrund meiner jahrelangen operativen Verantwortung für ein Family Office mit sehr breitem Leistungsspektrum hierbei sehr praxisorientierten Mehrwert liefern. Es hilft durchaus, wenn man weiß, welche Prozesse in einem Family Office erforderlich sind und wie sie aussehen sollten. Dann kann man nämlich besser beurteilen, welche Kompetenzen und Kapazitäten dafür im Family Office vorgehalten werden müssen oder ob man die Leistung besser outsourct.

Hill: Stichwort Outsourcing – ist ein eigenes Family Office angesichts der damit verbundenen Kosten überhaupt sinnvoll, wo es doch so viele Multi Family Offices gibt, die sehr viele Familiendienstleistungen aus einer Hand erbringen?

Schröer: Da sprechen Sie ein weites Feld an. Richtig ist, dass es in den seltensten Fällen sinnvoll ist, dass ein Family Office jegliche Leistung selbst erbringt. Selbst wenn es gelänge, das dafür erforderliche Know-how an Bord zu holen, wäre es sicherlich nicht optimal ausgelastet. Idealerweise überlegt man sich für jede einzelne Leistung des Family Office, ob sie intern oder extern erbracht werden soll. Dafür gibt es gute Entscheidungsparameter. Soweit man sich dann für ein Outsourcing entscheidet, kann ein Multi Family Office die richtige Wahl sein. Möglicherweise erzielt man aber mit einer individuellen Auswahl verschiedener Dienstleister für die unterschiedlichen Aufgaben noch bessere Ergebnisse. Dann ist es wichtig, jemanden zu haben, der diese Dienstleister untereinander und mit den Bedürfnissen der Familie koordiniert. Im Extremfall beschränken Sie sogar Ihre Family.Office-Strukturen darauf und vergeben alle sonstigen Leistungen nach draußen. Dann spricht man von einem hybriden Family Office. Dies ist sehr flexibel, hat kaum Fixkosten und kommt damit auch für kleinere Vermögen durchaus in Betracht.

Hill: Damit nehmen Sie meine nächste Frage schon vorweg, nämlich ab welcher Vermögensgröße es Sinn macht, über die Gründung eines Family Office nachzudenken.

Schröer: Ich würde das tatsächlich nicht von der Vermögensgröße abhängig machen, sondern eher schauen, welche Leistungen das Family Office bei der Vermögensverwaltung und dem Familienmanagement erbringen soll. Im zweiten Schritt kann man dann überlegen, wie man diese Leistungen am besten und am günstigsten bezieht, um dann zu entscheiden, ob sich das Ganze lohnt.

Hill: Sie sind von Haus aus Jurist. Wie sind Sie zum Family Officer geworden?

Schröer: Ich bin ein gutes Beispiel für die Existenzberechtigung von Headhuntern. Eine Personalberaterin, die mich bei anderer Gelegenheit kennengelernt hatte, erinnerte sich an meine breiten Interessen und meinen großen Erfahrungsschatz, als sie mit der Besetzung der Stelle zum Aufbau des Family Office der Familie Merz beauftragt wurde. Von selbst wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich in diesen Bereich zu orientieren. Aber sie lag mit ihrer Einschätzung, dass die Funktion des Family Officers mir auf den Leib geschneidert sei, genau richtig.

Hill: Welche Eigenschaften sind es Ihrer Meinung nach, die einen guten Family Officer ausmachen?

Schröer: Da fallen einem natürlich sofort einige weiche Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit, Fairness und Sorgfalt ein, aber es geht weit darüber hinaus: Sie müssen Sachkunde oder zumindest ein sehr gutes Gefühl in so unterschiedlichen Gebieten wie Recht, Steuern, Kapitalanlage, Immobilien, Organisation, Mitarbeiterführung, Projektmanagement und Familienmanagement mitbringen. Sie sollten keine Angst vor Entscheidungen haben sowie Motivation und Mut, sich immer wieder in ganz neue Themen einzuarbeiten. Und dann ist da noch der manchmal nicht ganz einfache Spagat zwischen einem unternehmerischen Auftritt nach außen und einem eher dienenden zur Familie hin.

Hill: Das klingt in der Tat komplex. Finden sich da überhaupt Leute mit so breiten Veranlagungen?

Schröer: Das ist sicherlich eine Herausforderung. Kompromisse werden sich dabei auch nicht immer vermeiden lassen. Wichtig erscheint mir, dass man vor der Personalsuche genau herausgearbeitet hat, was man mit welchen Prioritäten braucht, um dann gegebenenfalls bewusst entscheiden zu können, worauf man zu verzichten bereit ist.

Hill: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Schröer: Angesichts der Breite des Anforderungsprofils ist es hilfreich, wenn der Family Officer auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Daher werden Sie in der Branche manches graue Haar sehen. Aber nicht nur. Ich konzipiere und leite in Kooperation mit Prof. Bäuml jährlich die Jahrestagung Family Office, die der regelmäßigen Fortbildung der Zertifizierten Family Officer dient, aber auch für jeden anderen Interessierten offen ist. Da sieht man auch jüngere Family Officer oder solche Personen aus Banken und Kanzleien, die es werden wollen. Die Attraktivität dieses vielseitigen Jobs ist hoch und gut bezahlt wird er meistens auch.

Hill: Ich habe auf Ihrer Website (www.fidubonum.de) gesehen, dass Sie sich nicht nur mit der Jahrestagung im Bereich der Fortbildung von Family Officern betätigen, sondern auch mit zahlreichen Artikeln und einer interessanten Serie über Mythen in Unternehmerfamilien. Ist es die Mission von fidubonum, mit diesen Mythen aufzuräumen?

Schröer: So weit würde ich nicht gehen. Die Mythen sind ein guter Aufhänger, um einige für meine Arbeit relevante Themen anzusprechen und dabei ein paar Anregungen zu geben. Wenn man diesen leicht überhöhten Begriff überhaupt verwenden will, würde ich als Mission von fidubonum eher die sehr strukturierte Begleitung von hochvermögenden Familien in Umbruchsituationen sehen. Hier gemeinsam mit der Familie ganz individuelle und passgenaue Lösungen strategischer und struktureller Art herauszuarbeiten, ist eine für mich sehr erfüllende Herausforderung. Für die Familie ist die externe Unterstützung in diesem Prozess ausgesprochen wichtig, weil sie zur Versachlichung und Professionalisierung der damit verbundenen Diskussionen und Entscheidungen beiträgt.

Hill: Ist Frankfurt – oder in Ihrem speziellen Fall Königstein – ein guter Standort für eine Family Office-Beratung wie fidubonum?

Schröer: Wegen der Nähe zu den meisten Finanzdienstleistern auf jeden Fall. Allerdings sitzen die meisten sehr vermögenden Familien eher im Süden und im Norden der Republik und dort oft auch in sehr kleinen Orten. Da hilft dann Frankfurts zentrale Lage in Deutschland.

Hill: Was schätzen Sie an Frankfurt noch?

Schröer: Ich bin 1992 nach Frankfurt gekommen und damals hatte die Stadt wirklich keinen guten Ruf. Das hat sich in meiner Wahrnehmung gründlich geändert: Die Skyline ist noch imposanter und schicker geworden, das damals massive Drogenproblem ist zwar nicht gelöst, aber immerhin weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden, das kulturelle Angebot ist oft großartig und mit Taunus und Rheingau gibt es in unmittelbarer Nähe zwei sehr schöne und vielseitige Naherholungsgebiete. Zur Vollkommenheit fehlen eigentlich nur das Meer oder zumindest ein größerer See in unmittelbarer Nähe, aber alles kann man eben nicht haben. Dafür darf man mitten in Hessen leben, unter Menschen, die es auch Zugereisten leicht machen, sich schnell heimisch zu fühlen.

Hill: Vielen Dank, Herr Dr. Schröer, für diese sehr interessanten Einblicke. Ihnen weiterhin viel Erfolg mit fidubonum.

Dr. Henning Schröer hat für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über 10 Jahre geleitet. Mit fidubonum (www.fidubonum.de) berät er vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen, wozu auch die Beratung beim Aufbau passgenauer Family Office-Strukturen gehört.