FINANZPLATZ FRANKFURT: Digitalisierung & „Asset-Klasse Rechenzentren“ – Immobilien, REITs und ESG (Gastbeitrag – Michael Jakobi, contagi Digital Impact Group)

Nicht erst die Corona Krise hat gezeigt, dass die weltweite Wirtschaft – wie die Gesellschaft als Ganzes, eine leistungsfähige digitale Infrastruktur benötigt, wenn sie ihren Wachstums- und Entwicklungskurs nachhaltig fortsetzen will. Die Krise hat sich jedoch als ein Katalysator herausgestellt, der die Geschwindigkeit des Wandels erhöht und, gerade in Deutschland, das Thema digitale Infrastruktur im Allgemeinen und der Rechenzentren im Besonderen in eine breitere Öffentlichkeit getragen hat. Dabei wird die Ambivalenz des Themas deutlich – während viele deutsche Unternehmen mit der Digitalisierung kämpfen und unsere Glasfaserabdeckung zu den Haushalten (FTTH) nur 12% beträgt, verfügt Deutschland über ein national wie international hervorragendes Glasfasernetz, modernste Rechenzentrumsflächen und mit dem De-Cix Frankfurt, über den nach Datendurchsatz größten Internetknoten der Welt. Hier erreichte der Peak-Traffic im März 2020 9,1 und im November über 10 Tbit/s – jeweils Weltrekord.

AUTOR: Michael Jakobi, LL.M. ist Berater und Projektmanager im Bereich digitale Innovation & Infrastruktur bei der contagi Digital Impact Group – www.contagi.ch

Die Entwicklung Frankfurts und damit Deutschlands zu einem internationalen Hub für digitale Infrastruktur hat historische, vor allem aber geografische / geopolitische Gründe. Die Lage ist, ganz immobilientypisch, auch für Rechenzentren ein entscheidendes Kriterium. Knotenpunkte, an denen Seekabel anlanden, oder sich, wie in Frankfurt, die Glasfaser-Backbones der Welt kreuzen, sind als Austauschplattform prädestiniert, wenn sie auch das wirtschaftliche Ökosystem besitzen. Dazu gehören internationale Unternehmen ebenso wie KMU und eine zahlungskräftige Endkundenbasis, sowie nicht zu vergessen qualifizierte Arbeitnehmer und spezialisierte Dienstleister.  In der Metropolregion Rhein-Main finden sich hier beste Voraussetzungen, als internationaler Bankenstandort mit fast 6 Millionen Einwohnern, von denen 3 Millionen als Arbeitnehmer in einer weit diversifizierten Wirtschaftslandschaft tätig sind. Geografisch entscheidend ist zudem die Lage inmitten Europas, durch die sich die Datenströme über den Atlantik (über England/ London und Niederlande/ Amsterdam) ebenso bündeln lassen wie von Skandinavien bis Südeuropa und zu den Seekabel-Häfen am Mittelmeer, die uns wiederum mit Asien und Afrika verbinden.

So wird erst nachvollziehbar, dass internationale Akteure der Rechenzentrumswelt bereit sind, mit 2000€/m² das zehnfache des Bodenrichtwerts für ein Gewerbegrundstück am Frankfurter Stadtrand zu bezahlen. In Verbindung mit den horrenden Investitionskosten eines Rechenzentrums selbst, die (ohne Kosten des Grundstücks) schnell im dreistelligen Millionenbereich liegen, und den hohen Anforderungen im Be- und Vertrieb, wird hier deutlich, warum die Assetklasse Rechenzentrum, trotz eines massiven, nachhaltigen Wachstums und geradezu fantastischen Renditen, bisher vor allem in den Händen spezialisierter REITS wie Digital Realty und KeppelDC REIT sowie Telekommunikationskonzernen, z.B. NTT und 1&1, liegt. Diese wiederum besitzen oder vermieten an Colocation Provider wie Interxion, Equinix oder auch Maincubes, die ihrerseits Server-Space für Unternehmen, aber auch für Hyperscaler, also Cloud-Provider wie Amazon AWS bereitstellen.

Vor dem Hintergrund einer derartigen Konstellation aus Spezialisten und Global Playern stellt sich die Frage, ob die Eintrittsbarrieren in Sachen Kapital, Marktdurchdringung und Know-How für KMU, Projektentwickler und nicht-institutionelle Investoren nicht bereits jetzt zu hoch sind, um auf den Zug aufzuspringen.

Die großen Cloudanbieter, Microsoft (Azure), Google und Amazon AWS, sichern sich ihre Oligopolstellung in den Ballungsgebieten mit dem Aufbau von Availability Zones und treiben so das Wachstum der Colocation Anbieter in Frankfurt, aber auch im Rhein-Ruhr-Gebiet und den Großräumen Berlin, Hamburg und München. Zusätzlich verstärkt wird der Trend zur Cloud durch die Bemühungen der EU im Rahmen des Gaia-X Programms. Viele Technologien jedoch, die derzeit in den Startlöchern stehen – 5G, autonomes Fahren und IoT seien hier beispielhaft genannt – benötigen ein deutlich dichteres Netz von verschiedenen Datenverarbeitungs- und Speicherungseben oder Layern, kleinen Rechenzentren im Abstand von teils <1km (Edge), regionalen Sub-Hubs (Fog) und internationalen (Cloud) Hubs, ähnlich einem Verteilungsnetzwerk in der Logistik.

Abgesehen von wenigen Metropolregionen ist dieser Bereich aktuell alles andere als flächendeckend aufgestellt und bietet somit ein erhebliches Potential für regionale Akteure – hier sind insbesondere Energieversorger, Projektentwickler und Grundstücks-/ Immobilieneigner sowie KMU allgemein zu nennen. Auch wenn die Investitionskosten selbst in kleineren Rechenzentren beträchtlich sind, ist es möglich, diese mit Blick auf geringere Grundstücksinvestitionen und durch modulare Bauverfahren im Rahmen zu halten – ohne auf neuste, umweltschonende Technik und weitere Skalierungsoptionen verzichten zu müssen.

Nachhaltigkeit bzw. ESG ist ohnehin ein Thema, das bei Rechenzentren in Deutschland eine zentrale Rolle einnimmt, sei es aus dem Aspekt der Verantwortung, gesetzlichen Vorgaben oder schlicht aus wirtschaftlichen Gründen. Deutschland hat einen der höchsten Energiepreise der Welt und Rechenzentren sind, anders als andere energieintensive Unternehmen, nicht von der EEG-Umlage befreit. Zudem kommt der Netzausbau in manchem Ballungsgebiet der Nachfrage nicht hinterher, was insbesondere in Frankfurt eine signifikante Herausforderung darstellt. Gerade dadurch ergeben sich jedoch Chancen in anderen Regionen, in denen die Versorgungslage besser oder wo, wie in Teilen Norddeutschlands, sogar ein Überschuss alternativer Energie vorhanden ist. Nur durch die Einbindung von Rechenzenten in lokale Strukturen – Abwärmenutzung, smarte Energiespeicherung, Ladeinfrastrukturen usw. – können diese einen Beitrag in ESG Sicht liefern, anstatt Teil des Problems zu sein. Diese Verknüpfung jedoch erfordert die Einbindung lokaler und regionaler Akteure – und bietet diesen somit die Chance, an der Wertschöpfungskette Rechenzentrum zu partizipieren.

Somit lässt sich konstatieren, dass Rechenzentren nicht nur als Grundlage der Digitalisierung für die Gesellschaft, sondern auch als Assetklasse hochinteressant für progressiv eingestellte Unternehmen und Investoren sein können, auch in kleinerem Maßstab – die richtige Herangehensweise auf Markt- und Technikebene vorausgesetzt. Mehr noch, etliche Regionen in Deutschland, die für internationale Anbieter noch weiße Flecken sind, besitzen die Grundlage aus innovativen Unternehmen und qualifizierten Mitarbeitern, die einen zeitgemäßen Anschluss an die Welt ebenso nötig wie möglich macht und regionalen Akteuren aufgrund ihrer Netzwerke und Erfahrung vor Ort die Chance bietet, digitale Infrastrukturen auf Augenhöhe mit internationalen Playern zu gestalten.


AUTOR: Michael Jakobi, LL.M. ist Berater und Projektmanager im Bereich digitale Innovation & Infrastruktur bei der contagi Digital Impact Group – www.contagi.ch

Quelle: LinkedIn

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